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Der erste Schnee

Die malaysischen Damen machten erstmals Bekanntschaft mit dem weißen Element

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Während sich die olympische Fackel bereits unaufhaltsam ihren Weg nach Peking bahnt, wird auf dem letzten Hockey-Qualifikationsturnier noch immer um ein verbleibendes Ticket gekämpft – zwar können sich die Koreanerinnen nach ihrem eindrucksvollen 5:1-Sieg heute gegen Irland schon auf der „Chinastraße“ fühlen, doch sie haben auch die Warnung des irischen Coachs Gene Muller bei der gemeinsamen Pressekonferenz gehört: „Wir wussten, dass wir bei diesem Turnier nur einmal gegen Korea gewinnen können...“

Dass ein olympisches Qualifikationsturnier erst so kurz vor dem Beginn der Spiele stattfindet, es bleiben nicht viel mehr als drei Monate, ist schon eine kleine Ausnahme und hat einen sehr kanadischen Grund: die Kälte! Da bei dem

Coach Atan mit seiner Keeperin. Foto: Geiger

Besichtigungstermin vor einem Jahr die FIH-Gutachter von frühsommerlichen Temperaturen in British Columbia begrüßt wurden, normalerweise sind es Ende April auch durchschnittliche 15 Grad, bekam Kanada den Zuschlag für das Turnier und den spätest möglichen Veranstaltungstermin.

Nur ein Jahr später jedoch brach zum gleichen Zeitpunkt auf Vancouver Island der Winter aus, was normalerweise wirklich niemals zu dieser Jahreszeit passiert, versichert einem jeder Kanadier, auf den man trifft. Aber nun passierte es, eine Woche vor Beginn des Qualifiers fing es tatsächlich an zu schneien, jetzt während der Turniertage regnet es zwar nur, aber die Höchsttemperaturen liegen bei erbärmlichen zehn Grad mit Windschutz und gerade mal

Ute Conen beruhigt das Spiel: Foto: Geiger

fünf Grad ohne! Für die Malaysierinnen, die in der tropischen Klimazone lebend das ganze Jahr über 30 bis 35 Grad Tagestemperaturen durchschwitzen, sind solch arktische klimatische Bedingungen natürlich sportlich gesehen schwierig.

Spricht man den malaysischen Trainer Yahya Atan allerdings auf diese Umstände an, passiert etwas Ungewöhnliches: Er fängt an zu strahlen, während er erzählt, dass er und sein Team hier das erste Mal in ihrem Leben Schnee gesehen hätten: „Wir waren gerade beim Training auf dem Platz, als auf einmal von oben die Flocken herunterschwebten. Es war ein so tolles Gefühl und wir alle überglücklich.“

Für ihre sportliche Performance beim aller ersten olympischen Qualifikationsturnier, an dem die Malaysierinnen jemals teilnahmen, haben sie sich kältemäßig auch etwas einfallen lassen: Mit einem schwarzen enganliegenden Ganzkörperanzug unter ihrem schwarzen Rock und gelben Trikot sowie Handschuhen, die an eine zierliche Version von Fußballtorhüterhandschuhen erinnern, ist ihre Aufmachung recht auffällig und führt mitunter zu Diskussionen unter den Zuschauern: Ist es nur die Kälte oder vielleicht doch ein religiöser Grund?

Auf Nachfrage erklärt mir Kapitänin Ernawati Mahmud, die als Torhüterin zwar nicht persönlich vom Problem betroffen ist: „Nur die Beinbekleidung ist aus religiösen Gründen, die Arme schützen wir einfach nur vor der Eiseskälte.“ Tatsächlich lassen sich unter den malaysischen Spielerinnen zwei ausmachen, die keine Leggings unter dem Rock tragen, dafür aber einen indischen Namen: Chitra Devi Arumugam und Kannagi Arumugam, Schwestern sind sie jedoch nicht.

Neben den zwei indischen finden sich noch zwei chinesisch stämmige Spielerinnen im Team Malaysias, dessen Bevölkerung sich aus einem ebenso bunten malaysisch-chinesisch-indischen Mix zusammensetzt. Der Islam in Malaysia sei jedoch nicht so orthodox wie in anderen Ländern, begründet Trainer Atan, weshalb seine Spielerinnen neben der Beinbekleidung nicht auch ein Kopftuch tragen. Nach dem vierten Tag bei dem Qualifier liegen die Malaysierinnen mit einem Punkt mittlerweile außerhalb der Finalreichweite, obwohl sie heute ein tapfer erkämpftes und, wie Yahya Atan selbst zugibt, „recht glückliches“ Unentschieden gegen Italien erkämpften, welche bei einem Sieg gegen Irland immer noch das Finalspiel gegen Korea erreichen könnten.

„Wir brauchen einfach mehr Erfahrung bei Turnieren auf höchstem internationalem Niveau, um uns weiterzuentwickeln“, meint Ernawati Mahmud, die wie ihre Teamkolleginnen ziemlich enttäuscht ist über das bisherige Ergebnis in Vancouver. Beim Spiel um Platz 5 am Sonntag treffen sie, so viel ist schon sicher, auf Uruguay – und dann soll es übrigens fast 20 Grad warm werden.

Charlotte Geiger

 
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