Es bleibt ein „mulmiges Gefühl“ im Hinterkopf
Matthias Witthaus und Ulrich Bubolz zu den Konsequenzen des verschärften Doping-Kontrollsystems
Doping im Sport ist ein Thema, das zurzeit mehr denn je in aller Munde ist. Durch die populären Fälle im Radsport, in der Leichtathletik oder im Skisport bekommen auch die Hockeyspieler die eingeführten, deutlich restriktiveren Kontrollmechanismen zu spüren. „Ich habe dafür Verständnis“, sagt Matthias Witthaus. „Der Sport soll sauber werden, und dann muss gleiches Recht und gleiche Pflicht für alle gelten. Da müssen dann auch wir im Hockeysport bei den Kontrollen so behandelt werden, auch wenn im Hockey Doping überhaupt keine Rolle spielt und es bei uns nie einen Dopingfall geben wird.“
Die Sportler wurden durch die neuen Regularien zu „gläsernen Athleten“. Ein Vierteljahr im Voraus müssen sie auf der Website der Anti-Doping-Agentur NADA im Internet-System „Adams“ eintragen, an welchen Tagen sie nicht unter ihrer Heimatadresse für Kontrolleure antreffbar sind, müssen ihren Standort mit Adresse und Kontaktdaten angeben. Das gilt für Lehrgänge und Turniere ebenso wie für berufliche oder private Termine. Als „mulmiges Gefühl im Hinterkopf“ beschreibt Torwart Ulrich Bubolz die Gefahr, dass man einfach mal einen Tag vergisst anzugeben, an dem man nicht zu Hause ist, denn die Konsequenzen sind hart: bei einer verpassten Trainingskontrolle droht eine Verwarnung, im zweiten Fall bereits eine Sperre und/oder eine Geldstrafe.
Den Warnschuss gab es bereits bei einem Teammitglied, mit einem verpassten Antreffen der Kontrolleure, weil einfach nur vergessen worden war, eine Abwesenheit im System zu notieren. Dass es trotz Einhaltens der Abmelderegularien Probleme geben kann, hat Uli Bublz erfahren. Er war abgemeldet zum Eckenlehrgang in Leipzig, als der Kontrolleur in Berlin zu Hause und beim BHC-Heimtraining aufschlug. „Ich habe durch meinen Trainer per Handy davon erfahren und bin dann schnell zurückgefahren. Der Kontrolleur sagte, er hätte es einfach mal auf gut Glück versucht, Konsequenzen hätte es dann nicht gegeben. Aber da bleibt ein ungutes Gefühl, wenn der dann eventuell in seinen Bericht etwas herein schreibt, was mir schaden könnte.“
Für Matthias Witthaus, der zweimal pro Woche in der Sportredaktion der Rheinischen Post in Krefeld arbeitet, gab es Anfang Januar eine interessante Situation. Der Kontrolleur klingte in Köln an der Wohnungstür, traf ihn nicht an und erreichte ihn dann aber am Handy. „Witti“ hatte Glück, musste nicht sofort nach Köln zurück – der Kontrolleur kam netter Weise in die Redaktion und führte da die Kontrolle durch, was auch für die Kollegen eine interessante Erfahrung war. Es entstand daraus sofort ein Artikel. „Im Sinne eines insgesamt sauberen Sports macht man das alles mit“, sagt Matthias, „was halt stört, ist dass man immer im Hinterkopf haben muss, sich an- und abzumelden. Wenn du dann spontan und schnell etwas ändern musst, aber gerade keinen Internet-Zugang zur Verfügung hast, kann das schon ein organisatorisches Problem sein.“
Und so richtig begeistert könne er nicht darüber sein, die Urinprobe vor den Augen eines bis dato völlig fremden Mannes mit bis auf die Knöchel heruntergelassenen Hosen abgeben zu müssen. Die Verschärfung der Kontrollen sieht nämlich vor, dass die Kontrolleure erkennen können müssen, dass das Urin nicht eventuell aus einem verdeckten Schlauch ins Probenfläschchen abgegeben wird. „Du musst bei den Abmeldungen angeben, ob der Ort, an dem du dich dann aufhältst geeignet für die Probenabgabe ist“, sagt Uli Bubolz, „Auch ich bin inzwischen ja berufstätig, und bei mir im Job hätte ich es eigentlich nicht so gern, dass die da auftauchen, auch weil die Örtlichkeiten nicht wirklich geeignet sind. Das gebe ich auch an – was aber nicht heißt, dass sie dann da nicht doch einmal auftauchen könnten. Ich bin auch schon zweimal auf einer öffentlichen Universitätstoilette kontrolliert worden. Auch da ist das nicht unbedingt angenehm.“
Rainer Koll: „Acht geben, dass niemand aus Versehen als 'positiv getestet' gilt“
Teamarzt Rainer Koll bestätigt die latente Angst, die bei den beiden Sportlern mitschwingt, wenn sie über das verschärfte Doping-Kontrollverfahren sprechen. Er drückt es sehr plakativ aus: „Im absolut sauberen Sport Hockey kann es nur die Problematik geben, dass ein Sportler aus Versehen oder aus Schusseligkeit plötzlich als positiv getestet gilt.“ Deshalb sieht er in diesem Zusammenhang seine Hauptaufgabe nicht in der Aufklärungsarbeit der Athleten – „das ist unnötig, weil von denen keiner so dumm wäre, auf die Idee zu kommen, Dopingmittel zu nehmen“ –, sondern darin aufzupassen, dass nicht einer der Spieler etwa durch einen Fehler eines behandelnden Hausarztes, durch eigenes Unwissen oder sogar durch den Fehler eines Kontrolleurs unnötig und zu Unrecht in die Mühlen des Kontrollsystems gerate.
„Das Hauptproblem ist bei uns das Kortison“, erklärt Koll. „Bei einem Meniskusschaden, wenn sich zum Beispiel Wasser im Knie befindet, dann ist eine Kortisonspritze zur einmaligen Behandlung erlaubt. Aber eben auch nur, wenn das vorher per Fax an die NADA und FIH angezeigt worden ist.“ Mit Eintreffen des Faxes gilt die Erlaubnis in einem solchen Fall als erteilt. Vergisst ein Hausarzt, sich dieses Dokument im Internet herunterzuladen und abzuschicken, oder weiß er davon vielleicht nichts, gilt der Sportler danach bei einem Kortisonfund in der Urinprobe als positiv getestet. „Man kann in der Urinprobe nicht erkennen, ob es eine einmalige Spritze oder eine dauerhafte Gabe von Kortison war. Des halb ist das so restriktiv festgelegt“, erklärt Koll.
Ein kleiner Protokollfehler kann schlimme Konsequenzen haben. Noch tückischer ist die Verwendung von kortisonhaltigen Hautcremes. Die müssen nämlich nicht einmal per Fax angezeigt werden, sondern sind erlaubt. Vergisst der Sportler aber, die Verwendung bei der Urinprobe dem Kontrolleur mitzuteilen, gilt er bei Nachweis von Kortison im Urin als positiv getestet. „Ähnlich gefährlich kann die simple Einnahme von Vitaminpräparaten sein“, führt der Sportmediziner an, der schon unter Bernhard Peters das Nationalteam betreute. „Manche Hersteller im Ausland produzieren die in Anlagen, in denen vorher zum Beispiel Hormonpräparate hergestellt wurden. Selbst bei einer Reinigung der Anlage können Spuren von anabolen Steroiden dann zur Verunreinigung von Multivitaminpräparaten führen, die dann sogar noch im Urin nachgewiesen werden können.“ Koll verweist deshalb auf die so genannte „Kölner Liste“ , die vom Olympiastützpunkt Rheinland zusammengestellt wurde, in der alle Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln verzeichnet sind, die für die Reinheit ihrer Produkte garantieren und ggf. jede Charge überprüfen lassen. Diese Liste ist auf der Homepage des OSP einzusehen. „Wenn die Jungs so etwas nehmen wollen, dann ist es einfach wichtig, dass daraus kein Schaden entsteht.“
Auch bei angemeldeten und unangemeldeten Kontrollen auf Lehrgängen und Turnieren geht der Teamarzt immer als Begleiter mit – so auch jetzt bei einer Routinekontrolle in Südafrika. „Da werden in der Halbzeit zwei Spieler ausgelost von den Kontrolleuren, die dann nach Spielende zur Kontrolle kommen müssen“, erklärt Koll das Prozedere. „Ich achte dann ganz genau auf den Ablauf, dass das technisch sauber abläuft, dass die Urinflaschen versiegelt sind und dass kein Kontrolleur sie auf den Innenseiten berührt. Wie schon gesagt: In einer Sportart wie Hockey, in der es keine Dopingmentalität gibt, müssen wir einfach darauf Acht geben, dass niemand aus Versehen oder aus Dummheit plötzlich als Dopingfall gilt.“
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