Physisch in Südafrika, mit dem Kopf schon halb in Japan

Stimmungsbericht aus Südafrika von Timo Weß

Physisch in Südafrika, aber mit dem Kopf schon halb in Japan – das ist die Schwierigkeit, in der sich die deutschen Herren derzeit befinden. „Das Thema Olympia-Qualifikationsturnier ist hier ein tagtägliches – beim Training, bei den Gruppenbesprechungen, bei Gesprächen untereinander“, beschreibt Mannschaftskapitän Timo Weß den Umstand, dass sich das Team ein wenig schwer tut, die ganze Konzentration auf den Ablauf des derzeitigen Fünf-Nationen-Turniers in Potchefstroom zu richten. Das ist auch verständlich, schließlich geht es vom 5. bis 13. April in Kakamigahara um die letzte Chance, beim olympischen Turnier in Peking dabei alles. Dagegen hat ein gutes Abschneiden jetzt in Südafrika einen vergleichsweisen Null-Wert.
In Potchefstroom liegt der Unterschied zwischen den anderen vier Teilnehmern (Australien, Spanien, Niederlande, Südafrika) und Deutschland darin, dass die deutschen Widersacher alle schon ihre Peking-Fahrkarte sicher in der Tasche haben, nur der Weltmeister noch bangen muss. Gibt es da Häme der Konkurrenz? „Wir haben hier noch keinen blöden oder frechen Spruch diesbezüglich gehört. Das hat sich keiner getraut. Der Umgang der Spieler unterschiedlicher Mannschaften ist auch meist sehr respektvoll“, versichert Weß, der sich jedoch gut vorstellen kann, dass der ein oder andere Spanier, Holländer oder Australier sich insgeheim ins Fäustchen lacht, weil der amtierende Weltmeister noch in die Niederungen eines Qualifikationsturniers muss. Irgendwie macht sich das Bild vom Biathlon breit, bei dem das deutsche Team gerade eine Strafrunde laufen muss, weil es zuvor beim Schießen (EM in Manchester) an den Scheiben vorbeigezielt hat.
Die Stimmung in der deutschen Delegation sei gut, sagt der Kapitän, auch wenn die ersten beiden Spiele in Südafrika noch keine besonders positiven Ergebnisse brachten. „Wir hatten uns fest vorgenommen, hier an die Leistung der Champions Trophy anzuknüpfen. Das ist uns in den ersten beiden Partien noch nicht ganz gelungen, weil nach der Hallenhockeyphase vielen von uns einfach noch die Passhärte, das saubere Schlagen, die sichere Annahme hoher Bälle fehlt“, sagt Timo Weß, der dennoch bessere Resultate gegen Australien (1:1) und Spanien (2:3) für möglich hielt: „Das waren eigentlich ganz ordentliche Spiele, die wir angesichts der Spielanteile und Chancenverhältnisse beide hätten gewinnen müssen.“
Viel Arbeit steckt die deutsche Delegation in diesen Tagen in die mentale Vorbereitung auf das Qualifikationsturnier. Zusammen mit dem neuen Psychologen Dr. Arno Schimpf, der das Team die nächsten Wochen bis Japan und dann auch beim Quali-Turnier begleiten wird, bearbeitete man das „Dauerthema“ Qualifikation. „Wir haben auch hockeytechnisch noch viel zu tun bis dahin, aber wir müssen vor allem vom Kopf her hundertprozentig bei der Sache sein, um in Japan siegreich zu sein“, sagt Timo Weß. Der Gewinn der Champions Trophy Anfang Dezember in Kuala Lumpur sei zwar gut für das nach Manchester ramponierte Selbstbewusstsein gewesen, „aber wir wollen uns von diesem Erfolg nicht blenden lassen. Wenn wir im April nicht gewinnen, hat uns der Trophy-Sieg überhaupt nichts gebracht“.
Vom Scheitern der Hallenmannschaft im EM-Finale in Jekaterinburg habe man per Internet und SMS-Kontakten zwischen Südafrika und Russland erfahren, so Timo Weß. „Wir standen oft in Kontakt mit Volker Fried und den Spielern dort und finden es sehr schade, dass es mit dem EM-Titel nicht geklappt hat.“ Die moderne Technik machte es möglich, dass man auch viele tausend Kilometer entfernt sehr schnell über die Entwicklung bei der Hallen-EM Bescheid wusste.