Benjamin Wess: „Möchte mehr zum Teamerfolg beitragen als bei Olympia!“
Der jüngere Wess-Bruder hat hohe Ansprüche an seine eigene Leistung
Für Benjamin Wess ist es ein ungewohntes Gefühl. Bis zu den Olympischen Spielen in Peking stand er stets gemeinsam mit Bruder Timo im Nationalteam. „Klar, fehlt da was. Blut ist ja bekanntlich dicker als Wasser – und mit deinem Bruder sprichst du schon auch mal über Dinge, die man unter Mannschaftskameraden sonst vielleicht nicht anspricht. Aber so ist nun mal der Lauf der Dinge. Timo muss jetzt im Job Fuß fassen. Die Welt geht davon nicht unter – und das Team ist nicht schlechter!“
Benny Wess ist im letzten Jahr klar aus dem Schatten seines großen Bruders heraus getreten, hat sich zum Leistungsträger im Team entwickelt, dem Markus Weise in Abwehr und Mittelfeld vertraut. Er selbst hat bei sich durch die zunehmende Erfahrung eine deutlich größere Sicherheit auf dem Platz festgestellt. „Ich bin zwar etwas mehr in Richtung Abwehr gerückt, aber das finde ich gar nicht schlimm!“
Bei Olympia habe er sich noch in einer ganz anderen Rolle gesehen. Da hätten die Routiniers die Verantwortung auf dem Platz übernommen – Wess hatte als Youngster mehr Freiheiten. „Ich möchte heute selbst mehr für den Teamerfolg beitragen. Eine Last empfinde ich deshalb nicht. Wir sind ein sehr ausgeglichenes Team. Es verteilt sich alles auf mehr Schultern. Aber ich habe diese Ansprüche an mich selbst.“
„Vielleicht die einzige WM meiner Karriere...“
Diese Ansprüche hatte Wess auch an seine Studienleistung. Er steckt mitten im Hauptstudium der Volkswirtschaftslehre und wollte trotz WM-Vorbereitung, Champions Trophy und Bundesliga ein gutes Semester hinlegen. So wurde am 22. Februar abends um 18 Uhr noch die letzte Klausur geschrieben, bevor es am nächsten Morgen früh in den Zug Richtung Frankfurt zum WM-Flieger ging. Die Lehrgänge in Valencia und Südafrika waren ebenfalls vom Büffeln für die Klausuren geprägt.
Dennoch war die WM immer präsent im Kopf, bei jeder Trainingseinheit, an jedem Tag. „Es ist vielleicht die einzige Weltmeisterschaft, die ich in meiner Karriere spiele. Deshalb will ich hier das Maximale geben und das Maximale herausholen!“ So empfand der in Moers geborene Wahl-Kölner die WM-Vorbereitung auch überhaupt nicht weniger intensiv als die für Olympia 2008. Das über allem stehende Ziel aber ist Olympia 2012 in London für Benjamin Wess. „Die jetzige Mannschaft ist dann erst auf ihrem absoluten Zenith – wir sind zurzeit noch in der Entwicklung dahin. Ich hoffe nach der WM noch auf die Rückkehr der beiden Zeller-Brüder. Mit ihnen sind wir noch stärker!“
Ein bisschen Respekt und große Vorfreude
Ein bisschen Respekt flog bei Benny Wess mit nach Indien. Die Terrorwarnungen im Vorfeld der WM wollte der blonde Nationalspieler zumindest ernst nehmen. „Ein wenig mulmiges Gefühl ist deshalb schon da.“ Wenn es aber erst einmal los geht mit dem Turnier, dann blendet Weß alles andere aus. Dann gibt es feste Rituale, die helfen, wie etwa der abendliche Konsum einer Hörbuch-Folge der „Drei Fragezeichen“ mit dem Standard-Zimmergenossen Matthias Witthaus vor dem zu Bett Gehen. Damit fingen die Zwei schon bei der EM 2007 in Manchester an. „Das beruhigt“, grinst Weß.
Gespannt ist der deutsche Feld- und Hallenmeister von 2009, der selbst noch kein Turnier in Indien mitgespielt hat, auf die Eindrücke, die neben dem Platz auf das Team einströmen werden. „Alle haben von dem Kulturschock erzählt, von der großen Armut, die einem dort begegnet, von den riesigen Unterschieden zwischen Deutschland und Indien.“ Auf der anderen Seite ist da große Vorfreude bei ihm – auf die frenetischen Fans in Indien, die ein Hockeyspiel zu einem besonderen Erlebnis werden lassen. „Ich hoffe natürlich, dass die auch uns anfeuern. Da wir nicht mit Indien in einer Gruppe spielen, bekommen wir ja vielleicht einige Sympathien ab...“
Steckbrief:
Name: Benjamin Wess
Spitzname: Benny; Dani Alves
Nummer: 15
geboren: 28. Juli 1985
Position: Abwehr / Mittelfeld
Länderspiele: 90
Tore: 12
Club: RW Köln
vorherige Clubs: Uhlenhorst Mülheim, Crefelder HTC
Schulabschluss: Abitur
Studium: VWL
Internationale Erfolge: Olympiasieger 2008, Vize-Europameister 2009, Champions Trophy Sieger 2007, Hallen-Europapokalsieger
Nationale Erfolge: Deutscher Meister Feld und Halle (mit Crefelder HTC und mit RW Köln)
|