Nach Lobeshymnen wieder zurück auf dem Boden der Tatsachen
hockey.de-WM-Kolumnist Joo-Seuk Maing über die ersten drei Spieltage der WM
|
03.03.2010 - Die Spiele laufen. Und wie! Das Land ist infiziert, was sicherlich auch am indischen Auftaktsieg gegen Pakistan liegt. Die Schlagzeilen der indischen Zeitungen nach dem 4:1-Triumph über den Nachbarn waren gekennzeichnet von Lobeshymnen auf die eigene Mannschaft: Eine gute Defensivarbeit habe die Ausnahmespieler in Reihen der Pakistani nicht entfalten lassen, man habe das Mittelfeld dominiert, und die Stürmer hätten immer wieder wichtige und individuell brillante Sturmläufe vorgetragen, mit Disziplin und nicht nachlassendem Kampfgeist habe man dem Gegner den Schneid abgekauft – so der allgemeine Tenor. Für viele im Land war das 4:1 (Indiens erster WM-Sieg über Pakistan seit dem Weltmeisterschaftsfinale 1975) nach den letzten Spielen und manch schmerzvoller Niederlage gegen Pakistan (Historiker erinnerten an das desaströse 1:7-Finale bei den Asian Games 1982 im gleichen Stadion) eine große Genugtuung, zu verdanken einer mannschaftlich überzeugenden Leistung mit einem großartig aufgelegten Sandeep Singh.
Interessante Randnotiz: Prabhjot Singh stürmte nach seinem Treffer zum 3:0 direkt auf Indiens spanischen Trainer Jose Brasa und hat ihn geknuddelt. Da gab es ja im Vorfeld riesige Diskussionen, wer denn nun Kapitän sein darf. Der schließlich als Träger der Spielführerbinde auserwählte Rajpal Singh saß zu Spielbeginn dann erstmal auf der Bank, genauso wie Stammtorhüter Adrian d'Souza, um die Pakistani zu irritieren.
Aber der Sonnenschein des ersten Tages war schon schnell wieder getrübt. Schon wähnt man (wieder) eine Intrige gegen das indische Hockey, weil Starstürmer Shivendra Singh nach einem Allerweltsfouls im Pakistan-Spiel (nicht mal die Pakistani hatten sich beschwert) für zwei Spiele gesperrt wurde. Und nach der gestrigen 2:5-Niederlage gegen Australien ist Indien wieder auf dem Boden der Tatsachen zurück. Australien hat überzeugend seine überraschende 2:3-Auftaktniederlage gegen England wieder gutgemacht und deutet an, wozu der Titelfavorit in der Lage ist. Die Schnelligkeit und Präzision der Charlesworth-Truppe ist Furcht einflößend, allgemein traut man physisch derzeit nur den Koreanern zu, dass sie mit Australien „Schritt halten“ können.
Die Eckenspezialisten stehen schon zu Turnierbeginn wieder mal im Fokus. Pakistans Sohail Abbas hat im Indien-Spiel zweimal versucht die Latte kaputt zu machen (erfolglos, also Niederlage), Indiens Sandeep Singh war hingegen zweimal erfolgreich (also Sieg). Im Spiel gegen Australien war Singh jedoch indisponiert und wird heute in den Medien als Ausfall bezeichnet. Er schien in der Verteidigung auch Schwierigkeiten mit dem australischen Tempo zu haben. Die Argentinier erarbeiteten sich gegen die Holländer viele Eckenchancen, besitzen aber über keinen Ausnahmekönner wie auf der anderen Seite Taeke Taekema, der die Südamerikaner mit drei krachenden Eckenschlenzern quasi im Alleingang besiegte. Ganz so einfach ist es sicherlich nicht, aber ein bisschen was Wahres ist da schon dran.
Durchschnittlich 5,3 Tore fielen in den ersten neun WM-Spielen, und Indien vermeldet TV-Zuschauerzahlen, wie man sie hierzulande sonst nur im Cricket erzielt. Zu notieren waren auch indische Zuschauer, die dem ärgsten Widersacher Pakistan im Spiel gegen Spanien den Rücken stärkten - das ist die Weltmeisterschaft in Delhi.
Doch es gibt auch Schattenseiten: Die Akkreditierung der Medien lief chaotisch, die offizielle WM-Homepage ist bisher selten wirklich up-to-date, und nur zu den großen Spielen (meist mit indischer Beteiligung) sind die Zuschauerränge im über 20 000 Besucher fassenden Major Dhyan Chand National Stadium gefüllt. Außerdem gibt es immer wieder künstliche Pausen durch die so genannten Referrals, die für die Zuschauer im Rund nicht nachzuvollziehen sind, weil die große Stadionleinwand keine Wiederholungen der TV-Bilder erlaubt. Zusätzlich sind die Sicherheitsmaßnahmen extrem hoch. Die deutsche Mannschaft durfte in den ersten Tagen in Delhi den traditionellen Morgenlauf nicht mal im 7. Stock des Mannschaftshotels durchführen, und im nahe gelegenen Park wurde man am nächsten Tag von genauso vielen Sicherheitskräften begleitet, wie man Spieler hat. Das war ein seltsamer Anblick, aber aufgrund der Sicherheitslage wohl einfach unabdingbar.
|