Termitenkinder
Der Hockeyspieler als solches gilt ja als gemeinhin als sehr geselliger und auch guterzogener Weltbürger. Tritt er in Gruppen auf und frönt er auch noch seinem Sport mit leistungssportlichem Anspruch, ist er mit einem hervorragenden Energieumsatz ausgestattet. Der Kreis der Herren-Nationalmannschaft ist von daher in seinem Treiben und in seinem Kalorienverbauch ohne weiteres mit einem Termitenvolk vergleichbar. Für den Staff der Mannschaft heißt dies, dass neben den täglich anstehenden Regelmahlzeiten auch immer eine ZwiMa (Zwischenmahlzeit) bereit stehen muss.
Eine ZwiMa besteht in der Regel aus einfacheren und damit schnell verfügbaren Kohlehydraten, die den lechzenden Energiedepots in kürzester Zeit zugefügt werden. So auch in Indien. Das Kohlehydratdepot muss stets gefüllt sein, damit jederzeit genügend Energie für Höchstleistungen zur Verfügung stehen. Dass der Körper nicht zu viel Substanz verliert, wird mit dem täglichen Blick auf die Waage kontrolliert. Normalerweise begeben sich Arzt und Teammanager in einen Supermarkt, der in seinem Sortiment eine den europäischen Essgewohnheiten entsprechende Menge und Auswahl an Müsliriegeln, Broten, Wurst, Käse, Kuchen und „Kopfnahrung“ (Schokoriegel, Waffeln etc.) hat.
So wurde auch für Indien das Thema in die Vorabplanung aufgenommen. Gemeinsam mit Frau Duske aus dem Kulturreferat der Deutschen Botschaft brechen Teammanager, Arzt und Sportdirektor im Botschaftsfahrzeug zum Le Marche Supermarkt in der DLF-Mall im Süden der Stadt auf. Le Marche hört sich sehr vertraut an und wir fahren entspannt die zehn Kilometer durch den indischen Verkehrswahnsinn. 45 Minuten später erreichen wir die Mall. Leider müssen wir feststellen, dass Auswahl und Verfügbarkeit der Produkte nur begrenzt den täglichen Anforderungen unseres Termitenvolkes entspricht.
Nutella und andere „must haves“ fehlen. Frau Duske bietet an, nach Feierabend zum Geschäft der amerikanischen Botschaft zu fahren und dort entsprechend nach den fehlenden Produkten zu fahnden. Ein wunderbarer Vorschlag, aber bei einem täglichen Umsatz von mehreren Gläsern wollen wir die gute Seele nicht zur offiziellen Botin des Brotaufstriches ernennen, sondern ihr noch auch Zeit für ihren eigentlichen Job in der Botschaft lassen. Desweiteren lässt die Fahrzeit von jeweils 45 Minuten jeden Ausflug in den Le Marche zu einer gefühlten Halbtagstour werden.
Ein Anliefern an das Hotel ist zwar grundsätzlich möglich, muss aber aufgrund der wechselnden Anforderungen an die ZwiMa und den durch die Sicherheit schwierigen Zugangsbedingungen am Hotel verworfen werden. Also muss ein neuer Plan her… Bernd Jennert, Sicherheitsberater der Deutschen Botschaft erzählte am Vortag, dass für seinen Umzug nach Delhi im sogenannten Khan-Market den kompletten Zubehör für seinen Hausstand erwerben konnte und es dort auch kleine Lebensmittelmärkte geben würde. Im Gegensatz zu den anderen Märkten in der Stadt gibt es dort eine Vielfalt an Geschäften unterschiedlichster Branchen.
Nach Rückfrage, wie man denn am besten zum Khan-Market käme, meinte er, dass die schnellste und einfachste Art der Fortbewegung die Benutzung eines Tuk Tuk wäre. Ein Tuk Tuk ist eine grüne, nicht TÜV-zugelassene, dreirädrige Motorrikscha, deren Gebrauchsfähigkeit vom Zustand der Hupe abhängt. Auch nach erneutem Nachfragen und trotz unseres Einwandes bzgl. des Verkehrschaos in Delhi, wurde uns vom Herrn der deutschen Sicherheit die Unbedenklichkeit der Nutzung dieses Vehikels erneut bestätigt.
Puh, hier waren Nerven gefragt. Schlussendlich opfern sich Arzt und Sportdirektor und starten zu ihrer ersten Erkundungstour Richtung Khan-Market, denn der Hunger des Termitenvolkes wartet nicht. Auf dem Rücksitz Platz genommen startet wir mit dem Tuk Tuk in das indische Verkehrschaos. Links, rechts, vorne und hinten nähern sich uns abwechselnd Lastwagen, PKWs und Motorrädern bis auf 10 Zentimeter, aber wie durch ein Wunder schafft es unser Fahrer sämtliche Gefahren wegzuhupen. Der Puls steigt immer wieder auf Spitzenwerte, aber irgendwie kommen wir durch und stehen zehn Minuten später mit weichen Knien, aber ansonsten wohlauf am Khan-Market.
Der erste Eindruck lässt vermuten, dass wir auch hier wenig Erfolg hinsichtlich unseres ZwiMa-Bedarfs haben. Vorsichtig gehen wir durch die verschiedenen Gänge des Marktes. Es gibt hier Unmengen von kleinen Läden, die z.T. nicht mehr als 15 Quadratmeter Grundfläche haben, dafür aber Regale bis unters Dach. Plötzlich hellen sich unsere Mienen auf. Wir treten in einen kleinen „Tante Emma“-Laden und stehen auf einmal im ZwiMa-Paradies. Wie vom Himmel geschickt bekommen wir hier (fast) alles für den täglichen Bedarf.
Vom Riegel bis zum deutschen Müsli ist hier alles vorrätig. Nutella ohne Ende und für den kleinen Zuckerbedarf zwischendurch auch eine Cola. Die Reiserisiken sind vergessen und wir kaufen das Wichtigste für die Jungs ein. Die ZwiMa ist gerettet und der zeitliche Aufwand ist in Ordnung. Zukünftig werden wir wohl öfter am Khan Market auftauchen. Der Rückweg mit dem Tuk Tuk wurde durch das Erfolgserlebnis positiv überschattet und wir sind, wie durch ein Wunder, wieder heil am Hotel angekommen.
Die Teamleitung
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