Tag der Entscheidung
hockey.de-WM-Kolumnist Joo-Seuk Maing vor dem entscheidenden Gruppenspiel
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09.03.2010 - Crunch-time, sagen die Amis. Es ist soweit, heute entscheidet sich, ob Deutschland Geschichte schreibt und zum elften Mal bei Weltmeisterschaften ins Halbfinale einzieht oder nicht. Gespielt wird gegen die wiedererstarkten Neuseeländer, die ihr Gruppenspiel gegen Argentinien mit 1:0 gewonnen haben und ebenfalls noch Chancen auf einen Halbfinaleinzug haben. Danach muss Holland gegen Korea sein gesamtes Können abrufen, um den Halbfinaleinzug zu sichern, doch die Deutschen müssen erstmal vorlegen.
Das Spiel Niederlande gegen Deutschland wurde von vielen Experten hier als bislang bestes Spiel der WM bezeichnet, mit im Endeffekt glücklichen Holländern, die kurz vor Ende noch zum 2:2 ausgleichen konnten. Veteran Teun der Nooijer zeigte mal wieder, warum er so wichtig für die Bondsmannschaft ist. Doch bis dahin hat die junge deutsche Mannschaft ein großartiges Spiel gezeigt, nach einem frühen Rückstand konnte sie durch ein Traumtor von Korn und einen Abstauber von Montag mit 2:1 in Führung gehen, und phasenweise hat man die Erzrivalen klar dominiert. Die Punkteteilung war schmeichelhaft für die holländische Mannschaft.
In der Gruppe A haben sich, wie zu erwarten war, Australien als Gruppenerster und England für das Halbfinale qualifiziert (nach überzeugenden Siegen haben die Insulaner ihr letztes, für sie nicht mehr so bedeutendes Gruppenspiel gegen starke Spanier verloren), und Indien hat es geschafft, sich nicht komplett zu blamieren. Als Gruppenvierter, nach einem respektablen 3:3 gegen Südafrika, wird man zumindest zu den besten acht Mannschaftzen der Welt zählen. Und erklärtes Ziel des spanischen Indien-Trainers Jose Brasa war von Anfang seiner Amtsperiode der Titelgewinn bei den Asian Games dieses Jahr. Eventuell hat man hier für einen kurzen Augenblick vermutet, dass das indische Hockey wieder Weltklasse ist, nur weil man das erste Spiel gegen Pakistan mit 4:1 gewonnen und überzeugend gespielt hat. Drei Niederlagen in Folge dämpften die Anfangseuphorie. Aber wenigstens scheint man eine vergessene Sportart wieder zum Leben erwacht zu haben, denn frenetische Fans haben bei allen Indien-Spielen eine fantastische Atmosphäre im Stadion erzeugt. Es wird spannend zu sehen, was sich nach der Weltmeisterschaft im indischen Hockey tut, und ob sich die Unklarheiten um die Verbandsstrukturen klären.
Notiz am Rande: Alles eine Frage des Geldes? Oder der Organisation? Südafrika, Kanada und Indien sind aus dem internationalen Hockey nicht weg zu denken. Und doch haben sie erhebliche Probleme in ihren Heimatländern: Kanadadische Nationalspieler wie Ken Pereira (302 internationale Spiele) haben im Vorfeld der Weltmeisterschaft versucht, T-Shirts in den kanadischen Farben rot und mit dem Ahornblatt zu verkaufen (30 Dollar das Stück), um die Kosten für die WM-Reise tragen zu können. Südafrika konnte nur in letzter Minute mit einer Sonderzahlung der Regierung an der WM teilnehmen, und fast wäre es zu einem ähnlichen Schicksal wie bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney gekommen. Damals hat das Nationale Olympische Komitee Südafrikas entschieden, wegen mangelnder Medaillenchancen die Mannschaft erst gar nicht nach Sydney anreisen zu lassen. In Indien und Pakistan sind es neben verzögerten Zahlungen an die Spieler vor allem die Verbände selber, die um Macht ringen und erforderliche Strukturen in den jeweiligen Ländern nicht einsetzen. So gesehen ist das deutsche Hockey nicht nur sportlich erfolgreich, auch das Konzept stimmt. Man hat es wieder geschafft, trotz der Absagen von Ausnahmekönnern wie den Zeller-Brüdern eine erfolgreiche Mannschaft nach Delhi zu schicken. Dass diese die jüngste hier bei der WM ist, hat man in den bisherigen Spielen nicht erkennen können. Und ich persönlich bin davon überzeugt, dass sie auch ins Halbfinale kommt. Und dann mal schauen...
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