Sonntag, 28. Februar - Samstag, 13. März in Neu Delhi

12. Weltmeisterschaft

 

„Von Titelhoffnungen ist hier nicht die Rede“

Eindrücke des in Indien lebenden Deutsch-Koreaners J.-S. Maing vor der Hockey-WM

 

13.02.2010 - Seit einem Jahr lebt der Deutsch-Koreaner Joo-Seuk Maing in Indien. In Bangalore im Süden des Kontinents arbeitet der 31-jährige Wirtschaftswissenschaftler für einen großen deutschen Automobilzulieferer. Über Hockeyerfahrung verfügt Maing seit frühester Kindheit. Zusammen mit dem späteren Weltmeister Sascha Reinelt gewann Joo-Seuk Maing mit seinem Heimatclub SV Böblingen zwischen 1992 und 1994 drei Jugend-DM-Titel, zum Ende seiner Karriere war Maing auch in der 1. und 2. Bundesliga beim HTC Stuttgarter Kickers und beim HC Ludwigsburg aktiv. hockey.de hat sich mit ihm über die Hockey-Situation in Indien gut zwei Wochen vor der Weltmeisterschaft unterhalten.

Joo-Seuk Maing (im Bild rechts im Zweikampf mit dem damals für den Crefelder HTC spielenden WM-Teilnehmer Benni Weß; Foto: Quednau) wird die WM in Neu Dehli besuchen und exklusiv für hockey.de seine Eindrücke schildern.

Spürt man im Land etwas davon, dass bald eine Hockey-Weltmeisterschaft in Indien über die Bühne gehen wird? Ist es ein Thema in der breiten Öffentlichkeit?

Maing: „Leider nein, würde ich sagen. Man findet zwar schon immer wieder Infos über die WM, und es gibt auch einen Bezahlsender, der live von der WM im Fernsehen berichten wird, aber ich würde sagen, selbst in einem Hockey-Land wie Indien ist das gerade nicht besonders groß. Ein Grund könnte sein, dass die Inder Cricket lieben und die IPL (Indian Premier League) bald beginnt. Zwar erst nach der Hockey-WM, aber trotzdem. Da spielen internationale Spieler, und die Nachrichten sind voll davon. Wenn ich heute die Zeitung aufschlage, dann ist auf Seite 1 des Sportteils die Cricket-Testserie zwischen Südafrika und Indien, die gerade in Indien läuft.“
 
Gibt es so etwas wie Vorfreude auf die Hockey-WM in der indischen Öffentlichkeit? Oder gar nicht, weil man sich sportlich wohl nicht viel ausrechnen darf?

Maing: „Glaube ich nicht. Leider. Zumindest nicht in der breiten Bevölkerung. Mit Hockey bringt man gerade sowieso eher Skandale als den eigentlichen Sport in Zusammenhang. Da war das lange sich hinziehende Theater um die Ablösung des langjährigen Verbandschefs Gill. Und erst vor wenigen Wochen zum Beispiel hat die indische Nationalmannschaft im Trainingslager in Pune gestreikt, weil Zahlungen nicht rechtzeitig kamen. Das ging dann weiter, als die Damen-Nationalmannschaft das Gleiche gemacht hat. Sportlich wird im Grunde bisher gar nicht über die Weltmeisterschaft berichtet. Neben der WM gibt es dieses Jahr nämlich auch noch die Commonwealth Spiele, und die scheinen noch ein bisschen wichtiger zu sein.“
 
Was erwarten denn die Medien letztlich von der indischen Mannschaft bei dieser WM? Ist man realistisch oder gibt es „Tagträumer“, die öffentlich Titelhoffnungen schüren?

Maing: „Es scheint fast keine Erwartungen zu geben. Von Titelhoffnungen ist hier nicht die Rede, in einem Artikel hat man kürzlich davon gesprochen, den Heimvorteil nutzen zu müssen, aber man hat nochmal deutlich herausgestellt, dass die Mannschaften von Deutschland, Niederlande, Spanien und Australien deutlich weiter vorne zu erwarten sind.“

 
Was kann man zur Rolle des spanischen Trainers Jose Brasa sagen, der die indischen Herren vor gut einem halben Jahr übernommen hat? Wie ist sein Standing in den Medien, in der Mannschaft, bei den Offiziellen im Hintergrund?

Maing: „Da gab es erst dieser Tage Sprengstoff in der Öffentlichkeit: Ein Kommittee hat Rajpal Singh als Kapitän der Nationalmannschaft ernannt, obwohl Brasa seinen besten Torschützen Prabhjot Singh haben wollte. Nun gibt es Spekulationen, ob Prabhjot Singh überhaupt spielen wird, weil Brasa wohl auf „seinem“ Singh besteht. Ich bin gespannt, was da noch bis zur WM passiert. Hintergrund auch da: die Revolte vor wenigen Wochen. Prabhjot Singh war unter anderem der Wortführer für das indische Team, und man möchte wohl dieses aufsässige Verhalten nicht auch noch mit der Kapitänsbinde belohnen. Ansonsten wird Brasa als absoluter Profi und Experte wertgeschätzt, am Anfang wurden auch Hoffnungen laut, dass es nun mit dem indischen Team wieder bergauf gehen würde. Teilweise ist der Umgang mit ihm aber auch ein wenig kritisch, weil er halt kein Inder ist und wenig von der hiesigen Kultur versteht. Brasa schätzt die individuelle Klasse der indischen Spieler, in Interviews hat er betont, das die Inder nur mehr Disziplin, Strategie und Defensivverhalten lernen müssten, um erfolgreicher zu spielen.“
 
Welche Rolle spielt Hockey überhaupt (noch) in Indien? Was ist vom einstigen Nationalsport geblieben in der indischen Öffentlichkeit, in den Medien, "auf der Straße"?

Maing: „Sehr wenig. In den Medien spielt das, wie schon gesagt, eine Nebenrolle, was aber vor allem daran liegt, dass Cricket so dominant ist. In einem Kommentar vor wenigen Wochen habe ich gelesen, dass es manche Leute gibt, die dafür plädieren, auch Hockey zu privatisieren wie im Cricket geschehen, aber da steht sich der Verband selber im Wege.“
 
Welche Sympathiewerte wird die deutsche Hockey-Nationalmannschaft in Indien haben? Wen, außer die eigene Mannschaft, werden die indischen WM-Besucher am meisten anfeuern?

Maing: „Da die Deutschen generell einen hohen Stellenwert in Indien besitzen, würde ich behaupten, dass das auch fürs Hockey gilt. Ich vermute, die deutschen Spieler erfahren hier eine hohe Unterstützung, auf jeden Fall mehr als England und Pakistan, was historisch begründet ist. Heute war zum Beispiel in den indischen Medien auch zu lesen, dass Christopher Zeller aufgrund von anstehenden Prüfungen nicht an der WM teilnehmen wird. Deutschland wird natürlich als amtierender Weltmeister und Olympiasieger als Favorit gesehen, daher wird die Unterstützung hoch sein.“
 
England und Pakistan spielen beide in der Vorrundengruppe der Inder. Ist für die indische Mannschaft und die Bevölkerung das Ergebnis dieser beiden Spiele womöglich noch wichtiger als das insgesamte WM-Abschneiden?

Maing: „Diese Spiele sind sicherlich immens wichtig für die indische Öffentlichkeit. Wirtschaftlich versteht man sich bereits als weltweiter Herausforderer, und wenn man die Chance hat, dem Erzrivalen Pakistan und der alten Kolonialmacht England eins auszuwischen, dann wird sich die gesamte öffentliche Aufmerksamkeit darauf konzentrieren. Und wer weiß, wenn man mit möglichen Siegen gegen England und Pakistan genügend Selbstvertrauen sammelt, ist als Gastgeber eventuell auch mehr drin.“

Hat man als ehemaliger Bundesligaspieler die Chance, in Bangalore zum Hockeyschläger zu greifen?

Maing: „Ich hatte zwar auch mal vor, hier Hockey zu spielen, aber der einzige Platz in der Nähe ist seit Monaten nur schwarz, weil der Unterboden zwar gelegt, aber der vorgesehene Kunstrasenbelag noch nicht drauf ist. Und aufgrund der katastrophalen Verkehrssituation habe ich keine Lust, in das entfernt liegende Trainingslager zu fahren, wo auch die Nationalmannschaft zeitweise untergebracht ist.“
 

 

 
Saison 2010
« Aktuelles
» Unser Team
» Foto-Galerie
» Foto-Galerie 2

Teamberichte:
» Rückblick
» Sympathien erspielt
» Große Vorfreude
» Unbekümmert ins Finale
» Tag der Entscheidung
» 'Termitenkinder'
» Indische Lobeshymnen
» Der Weg nach Indien
» Florian Fuchs vorgestellt
» Benjamin Wess vorgestellt
» Martin Zwicker vorgestellt
» J.-P. Rabente vorgestellt
» Eine Chance für Indien
» Matth. Witthaus vorgestellt
» Jan M. Montag vorgestellt
» Oliver Korn vorgestellt
» Max Weinhold vorgestellt
» Tim Jessulat vorgestellt
» Tobias Hauke vorgestellt
» Martin Häner vorgestellt
» Oskar Deecke vorgestellt
» Chr. Menke vorgestellt
» Zur Sicherheitslage
» Florian Woesch vorgestellt
» Philip Witte vorgestellt
» Linus Butt vorgestellt
» Max Müller vorgestellt
» Interview J.S. Maing
» Moritz Fürste vorgestellt
» Offizielle Nominierung
» Interview Markus Weise

Finale
1. Australien
2. Deutschland
3. Niederlande
4. England
5. Spanien
6. Korea
7. Argentinien
8. Indien
9. Neuseeland
10. Südafrika
11. Kanada
12. Pakistan

Spieltermine Deutschland
Montag, 01.03.2010 - 18:35
    » GER - KOR   2:2 (0:2)
Mittwoch, 03.03.2010 - 16:35
    » CAN - GER   0:6 (0:4)
Freitag, 05.03.2010 - 20:35
    » GER - ARG   4:3 (3:2)
Sonntag, 07.03.2010 - 20:35
    » GER - NED   2:2 (0:1)
Dienstag, 09.03.2010 - 16:35
    » GER - NZL   5:2 (2:0)
Donnerstag, 11.03.2010 - 18:05
    » GER - ENG   4:1 (3:1)
Samstag, 13.03.2010 - 18:05
    » GER - AUS   1:2 (0:1)

Die Anschlagzeiten sind in Ortszeit angegeben!
Ortszeit New Delhi:
Gruppe A
1.GER5319:911
2.NED5315:510
3.KOR5316:810
4.ARG529:116
5.NZL528:126
6.CAN506:280

Gruppe B
1.AUS5423:612
2.ENG5417:1212
3.ESP5312:89
4.IND5113:174
5.RSA5113:284
6.PAK519:163
» Gesamter Spielplan
 

» Impressum   » Datenschutz © 2024 • hockey.de