„Wir können nicht mit angezogener Handbremse erfolgreich sein!“
Interview mit Bundestrainer Jamilon Mülders vor Start der EM in Belgien
15.08.2013 - Am Samstag, 17. August, starten die deutschen Damen und Herren in die Europameisterschaft in Boom bei Antwerpen. Beide Mannschaften haben über ihre Siege in den World-League-Halbfinalturnieren das Saisonziel, sich für die Weltmeisterschaft 2014 in Den Haag (31. Mai bis 15. Juni) zu qualifizieren, bereits erreicht. Insofern ist der ganz große Druck, über den EM-Titel in Boom noch auf den Zug Richtung WM aufzuspringen, nicht da. Damen-Bundestrainer Jamilon Mülders verdeutlicht aber im Interview die Wichtigkeit dieses Championats in Hinblick auf die Entwicklung seines Teams bis zur WM.
Herr Mülders, eine Saison mit zwei Höhepunkten innerhalb von zwei Monaten ist eher ungewöhnlich, oder?
„Wir mussten dieses Jahr mit einer Doppel-Periodisierung leben. Organisation, Trainingspläne und Abläufe waren klar auf die Europameisterschaft ausgerichtet. Aber die athletische Ausrichtung zielte auf die World League im Juni. Danach haben wir den Mädels mal eine längere Pause gegönnt, weil mit Startschuss Europameisterschaft bis zur WM 2014 in Den Haag eigentlich keine Chance bleibt, mal eine Pause einzulegen.“
Wie gut vorbereitet ist Ihr Team?
„Wir werden uns wieder gut präsentieren – da bin ich mir sicher. Die Mannschaft hat individuell mit den Heimtrainern ihre Hausaufgaben gut gemacht. Da weiß ich, dass ich mich auf unser System verlassen kann. Bei der EM werden wir jedes Spiel mit 100 Prozent angehen müssen und alles geben, weil wir eben auch wissen, dass wir nicht – wie die Holländerinnen das vielleicht können – auch mal mit angezogener Handbremse erfolgreich sein können. Dafür ist die Aufbauphase dieser Mannschaft, die seit Dezember läuft, einfach noch nicht weit genug fortgeschritten. Die EM ist auch deswegen eine ganz wichtige Zwischenetappe Richtung Weltmeisterschaft.“
In der Gruppe sind Sie gemeinsam mit dem Olympia-Dritten England Favorit. Wie hoch ist der Erwartungsdruck?
„Der Anspruch, der sicherlich zu Recht formuliert werden kann, ist, dass eine deutsche Mannschaft bei einer Europameisterschaft mindestens das Halbfinale erreichen sollte. Das beeinflusst unsere Arbeit aber nicht. Wir bereiten uns auf jeden Gegner gewissenhaft vor und nehmen ihn ernst. Was die meistens halt nicht wissen, ist, dass im schottischen Hockey zurzeit sehr viel Geld vorhanden ist, weil Schottland die nächsten Commonwealth Games ausrichtet. Und da wird im Hockey vorwiegend auf die Damen fokussiert. Die Mannschaft ist körperlich sehr präsent und fit. Da ist nur die Frage, wie sie das auf den Platz bringt. Bei der World League klappte das noch nicht so gut. Und wer Spanien unterschätzt, ist selbst schuld. Die Spanier haben gerade bei der U21-WM und der U18-EM bewiesen, wie gut sie – trotz finanzieller Engpässe – Teams für große Events entwickeln können. Ich bin deshalb absolut davon überzeugt, dass es in unserer Gruppe ein viel, viel engeres Rennen um die Halbfinalplätze geben wird als in der anderen mit Holland und Belgien.“
In der Vorbereitung gab es durch Belgien und Holland einige Dämpfer. Wo stimmt es noch nicht so?
„Wir machen schon viele Dinge gut, aber wahrlich noch nicht alle. Baustelle ist klar das Defensivverhalten. Unser Anspruch ist, auch defensiv variabler sein zu können und nicht nur ein System zu spielen. Da gibt es noch Anpassungsschwierigkeiten. Auch das individuelle Abwehrverhalten auf dem gesamten Platz ist ein wichtiges Thema. Schließlich fehlt uns im Abschluss oft noch die letzte Konsequenz. Wir erspielen uns total viele Chancen, machen aber noch zu wenig daraus. Die Ansätze sind gut, aber es fehlt noch ein wenig an Erfahrung und Kaltschnäuzigkeit. So etwas kann man nicht herbei reden – für so etwas ist ein EM-Turnier genau die richtige Bühne, um es zu entwickeln.“
Ist die Strafecke auch noch zu ineffektiv?
„Eigentlich sehe ich unsere Strafecke sehr positiv. Wir haben gute Schützen, sind sehr variabel. Hannah Krüger hat sich unglaublich gut entwickelt. Wir haben Juli Müller für den Schuss und auch Tina Bachmann ist vom Schuss und von der Ablage sehr gefährlich und stabil.“
Mit Hannah Gablac und Lea Stöckel haben Sie zwei Youngster mitgenommen. Bekommen die eine Schonfrist?
„Die bekommen keine andere Behandlung als Julia Müller oder Tina Bachmann. Es ist Aufgabe des Teams, die Jungen in seiner Mitte aufzunehmen – und da mache ich mir auch gar keine Sorgen, denn wir haben eine ganz hohe Sozialkompetenz in der Mannschaft. Ich erwarte von den Beiden, sich auf und neben dem Platz in unserem System zurechtzufinden. Eine Sonderrolle bekommen sie deswegen nicht. Aber es ist ganz normal, dass eine gewisse Nervosität zum Debüt bei einem Championat mit der A-Nationalmannschaft dazu gehört. Hannah und Lea werden das schon gut machen!“
Was haben Sie als Ziel-Platzierung für die Europameisterschaft festgelegt?
„Wir arbeiten mit inhaltlichen Entwicklungszielen. Ein Ergebnisziel ist für mich nachrangig. Wenn wir unsere Entwicklungsziele erreichen, kommen die Ergebnisse automatisch. Der Turniersieg bei der World League ist ein gutes Beispiel dafür. Der hat uns gut getan. Wir arbeiten bewusst mit sehr kleinschrittigen Zielen, wollen in unserer Gesamtentwicklung als Team immer weiter kommen. Deshalb schauen wir erst auf Schottland, dann auf England, dann auf Spanien.“
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