Deutsche Damen erneut „nur“ enttäuschter Vierter bei einem Weltturnier
Damen-WM in Rosario, um Platz 3: England – Deutschland 2:0 (2:0)
11.09.2010 - Wie schon bei Olympia 2008 in Peking mussten die deutschen Damen trotz des eigentlich als Erfolg zu wertenden Erreichens der Medaillenrunde bei der WM in Rosario am Ende eine Enttäuschung verkraften. Im Spiel um Bronze verlor das Team von Bundestrainer Michael Behrmann am Samstag gegen England mit 0:2 und belegt letztlich nur den undankbaren vierten Platz. Auch wenn dies die beste WM-Platzierung seit 1998 ist, war die Mannschaft erst einmal untröstlich. Die Engländerinnen hatten durch einen Doppelschlag von Alex Danson und Helen Richardson (28./31.) eine bis dahin ausgeglichene Partie zu ihren Gunsten gedreht. Die Offensivbemühungen der DHB-Auswahl waren in der zweiten Hälfte zu uneffektiv, um die Niederlage noch abzuwenden.
Michael Behrmann: „Auch wenn wir sicher mit der Bestätigung der Top-Vier-Platzierung von Olympia nah am Maximum sind, so ist die Enttäuschung über diesen vierten Platz doch genauso groß. Ein vierter Platz tut immer weh. Wir haben uns durch die Niederlage gegen Argentinien zu sehr aus dem Tritt bringen lassen in unserer Fokussierung, haben nicht schnell genug abgehakt, dass man gegen das zurzeit beste Team der Welt verlieren kann, um heute hundertprozentig die nötige Einstellung auf den Platz zu bringen.
Die Anfangsphase war absolut okay. England hat nur darauf gewartet, dass wir einen Fehler machen, und den Gefallen haben wir ihnen dann ja auch getan. Einen solchen Lapsus kannst du dir vielleicht noch erlauben, aber dass wir dann gleich den zweiten begangen haben, war natürlich tödlich. Dann fehlte nach der Pause auch die Kraft, um sich noch mal richtig aufzubäumen.
Man sieht, dass die Teams in der Weltspitze zurzeit einfach immens zugelegt haben. Argentinien ist mit seinem Leistungszentrum in Buenos Aires gut aufgestellt. Und den Zug der Engländerinnen Richtung London 2012 sieht man schon ziemlich stark anrollen. Da werden wir extrem investieren müssen, um mithalten zu können. “
Mit Innenverteidigerin Julia Müller, deren Ellenbogen-Verletzung aus der ersten Minute des Halbfinales sich nicht als Bruch herausgestellt hatte, starteten die Deutschen voller guter Vorsätze in dieses Spiel um Platz drei, dem wohl knapp 10.000 Zuschauer – die meisten schon für das Finale Argentinien gegen Niederlande früher angereist – einen fantastischen, stimmungsvollen Rahmen gaben.
England gehörten die ersten Minuten, in den die Spielerinnen, die Deutschland bei der Champions Trophy in Nottingham im Spiel um Platz drei 2:1 geschlagen hatte, Druck machten, ohne jedoch zu einem Torschuss zu kommen. Doch dann kamen die Deutschen langsam selbst zu guten Aktionen. Janne Müller-Wieland hatte Pech, als sie in der 5. Minute einen hohen Schlenzpass im Rücken der englischen Abwehr nicht kontrollieren konnte. Dann übernahm das DHB-Team die Kontrolle, baute gut auf über viele Stationen, oft ohne dass die Engländerinnen eine Chance hatten, das zu unterbinden.
In der 13. Minute setzte sich Celine Wilde auf der linken Grundlinie bis an den linken Pfosten des Tores von Beth Storry durch, kam dann aber nicht mehr zum entscheidenden Pass. In der 15. Minute musste Kristina Reynolds erstmals ihre Klasse zeigen, als Mandy Haase nach einem Stoppfehler Alex Danson ziehen lassen musste, die es aus fünf Metern mit einem hohen Schuss versuchte, den die gute deutsche Keeperin aber parierte. In dieser Phase hatten die Damen von der Insel wieder selbst mehr vom Spiel. Doch die Vorteile wechselten häufig in dieser Hälfte.
Katharina Otte versuchte es in der 17. Minute nach Hasselmann-Flanke mit einem Stecher, traf den Ball aber zu voll, so dass er ungefährlich rechts am Tor vorbei ging. Da die Teams auf dem Platz sich in dieser Phase nahezu neutralisierten, amüsierte sich das Publikum mit Stadionwellen auf der Tribüne. Bei beiden Teams fehlten zu dieser Zeit die zündenden Ideen aus dem Mittelfeld – es wurde zu häufig mit langen Bällen versucht, was aber bei zwei extrem starken Defensivreihen ein ineffektives Mittel war.
So war es auch ein individueller Fehler im Mittelfeld, der das etwas überraschende 1:0 (28.) für die Engländerinnen brachte, als Alex Danson links im Kreis frei zum Schuss kam und eine krachende Argentinische Rückhand oben rechts in den Winkel schoss. Die Konzentration bei den Deutschen war dahin, und ein krasser Abspielfehler der sonst so sicheren Tina Bachmann von der linken Abwehrseite in die Mitte bescherte Danson einen überraschenden Ballbesitz, den diese zu einem starken Pass vorn auf Helen Richardson nutzte, welche mit einem Stecher vom Siebenmeterpunkt Reynolds zum 2:0 (31.) tunnelte.
Immerhin hatte Hoffmann in der 34. Minute mit einem Stecher noch einmal eine Chance, aber Storry hielt. Kurz darauf verpasste auch Andersch eine Stecherchance knapp. Doch die Deutschen gerieten, als Tina Bachmann in der letzten Minute mit Grün auf die Strafbank musste, auch selbst noch einmal in Gefahr, als Hannah MacLeod direkt vor Reynolds eine Flanke aus einem Meter nicht im leeren Tor unterbringen konnte.
Zur Pause also ein eigentlich unnötiger 2:0-Rückstand, durch zwei individuelle Fehler bedingt, die ein bis dahin völlig offenes Match hatten zu Gunsten der Engländerinnen kippen lassen. Die Deutschen brauchten nun dringend ein Mittel, um selbst mehr Chancen zu kreieren. Beide Teams hatten in der ersten Hälfte nicht eine einzige Strafecke erarbeiten können.
Immerhin holten sich die Deutschen dann schon nach 50 Sekunden der zweiten Hälfte ihre erste Strafecke, und hätten daraus die zweite bekommen sollen, aber die Videoschiedsrichterin widerrief diese Entscheidung nach Anrufung durch die Engländerinnen. Die Behrmann-Schützlinge blieben bemüht, mit hohem Pressing Gefahr zu erzeugen. Storry verkürzte wenig später clever den Winkel für Stöckel, die durch war, aber dadurch nur noch ungenau mit der langen Rückhand an den Ball kam und das Tor links verfehlte.
Ärgerlich, als Hoffmann bei Überzahl am Kreisrand in der 42. Minute noch hängen blieb. Erst in der 46. Minute hatten die Engländerinnen ihre erste Chance der zweiten Hälfte, als Richardson sich rechts durchgesetzt hatte, aber ihr Pass in den Rücken der Abwehr keinen Abnehmer fand. Andersch hatte in der 50. Minute nach gutem Steilpass eine Großchance, als sie links im Kreis frei an den Ball kam, aber Beth Storry mit all ihrer Klasse die Chance zunichte machte.
Kurz darauf dribbelte Keller in den Kreis, sie bekam die Ecke trotz Fuß einer Engländerin nicht, weil die Schiedsrichterin Vorteil gelten ließ, den Hoffmann mit ihrem Schuss aus kurzer Distanz aber nicht nutzen konnte. In der 53. Minute nahm Eileen Hoffmann die Videoschiedsrichterin in Anspruch, weil sie statt einer Langen Ecke eine Strafecke wollte, einen Fuß gesehen hatte. Aber die Entscheidung blieb Lange Ecke, so dass die Video-Refferal-Möglichkeit ür die Deutschen weg war.
Im Gegenzug musste Fanny Rinne in höchster Not retten, als eine Engländerin links schon an Reynolds vorbei war. Hoffmann verpasste eine gute Schussposition zentral am Kreisrand (54.). Ärgerlicher Weise musste dann Julia Müller für ein Stockfoul zwei Minuten auf die Bank, was die Bemühungen, das Anschlusstor zu erzielen, nicht einfacher machte. Die DHB-Auswahl drückte trotz Unterzahl, was die Räume auf der anderen Seite für Englands Konter öffnete. Long hätte so eine Chance in der 55. Minute fast genutzt, aber ihr Stecher ging rechts am Tor vorbei.
Als Müller wieder auf dem Feld war, brachte ein unnötiger Fuß im Kreis die erste Strafecke für England, aber Reynolds hielt stark gegen Cullens Schlenzer. Wie gegen Argentinien im Halbfinale drohte die Zeit wegzulaufen, ohne dass die Offensivbemühungen belohnt werden würden. Immer wieder rannten die Deutschen an, aber es fehlten im gegnerischen Viertel die kreativen Ideen, um zum viel versprechenden Abschluss zu kommen. Es sah zu oft nach Brechstange aus.
Für ein Foul am Kreisrand gab es fünf Minuten vor Ende erneut Strafecke für England und Gelb für Müller, so dass die Deutschen die wichtige Schlussphase komplett in Unterzahl zu spielen hatten. Reynolds hielt erneut stark, so dass die Hoffnung zwar blieb. Aber die Kraft fehlte einigen Spielerinnen am Ende dieses aufreibenden Turniers und des siebten Spiels in 14 Tagen sichtlich, doch noch einmal den Hebel umzulegen. Am Ende jubelten die Engländerinnen, während die Deutschen erneut außerordentlich enttäuscht, wieder keine Medaille gewonnen zu haben, am Boden lagen.
Statistik:
Alexandra Danson (28.)
Helen Richardson (31.)
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Ecken:
ENG 2 (kein Tor) / GER 1 (kein Tore)
Grüne Karten:
ENG 1 (Hannah MacLeod, 46.) / GER 2 (Tina Bachmann, 35. / Julia Müller, 54.)
Gelbe Karten:
ENG - / GER 1 (Julia Müller, 65.)
Schiedsrichter:
Soledad Iparraguirre (ARG) / Carolina De La Fuente (ARG)
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