Olympia: Honamas schreiben Geschichte mit Wahnsinns-Finish
Herren, Viertelfinale in Rio: Deutschland – Neuseeland 3:2 (0:1)
14.08.2016 - Der deutschen Herren haben im Viertelfinale von Rio mit einem 3:2-Sieg über Neuseeland das Halbfinale am Dienstag gegen Argentinien erreicht. So weit die Fakten. Wie dieser Erfolg zustande kam, wird jeder Einzelne auf dem Platz seinen Enkeln noch erzählen. Vier Minuten vor Ende lag das DHB-Team 0:2 hinten, waren quasi ausgeschieden. Dann gelang Moritz Fürste erst der Anschlusstreffer per Ecke und in der Schlussminute der Ausgleich. Als alle bereits das Penaltyschießen erwarteten, schickte Tobi hauke in seinem 300. Länderspiel Timur Oruz vorn nochmal auf die Reise, der auf den langen Pfosten flankte, wo Florian Fuchs hineinstürzte und den Ball 0,7 Sekunden vor der Schlusssirene über die Linie beförderte.
Bundestrainer Valentin Altenburg: „Die Endphase heute überdeckt natürlich ganz viel! Aber so ein Spiel besteht ja aus mehr als diesen knapp 300 Sekunden! In der ersten Hälfte haben wir uns unglaublich schwer getan gegen sehr gut strukturierte Neuseeländer. Wir haben uns noch in keinem Spiel hier so wenig Chancen erarbeiten können. Wir haben uns dann vorgenommen, mutiger nach vorn zu spielen und hatten auch in der letzten Viertelpause das Gefühl, jetzt gut im Spiel zu sein. Das 0:2 kam dann natürlich zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt! Aber die Jungs haben das dann bis zum Ende sehr sachlich runtergespielt. Da war ja auch kein hektisches nach vorne Ballern – sie haben das wahnsinnig gut gemacht und es sich dann einfach auch verdient! Timur Oruz hat eine unfassbar gute zweite Halbzeit gespielt! Und Christopher Rühr hat mit seinem Selbstbewusstsein, seinem Herz und Zug dann die Ecken erarbeitet, die wir brauchten!“
Tobias Hauke: „Nach dem 2:2 wusste ich, dass Neuseeland erstmal den Ball hat. Dann hat mir einer den Ball auf die Hand gehauen, so dass ich ihn plötzlich hatte. Ich habe dann nur aus den Augenwinkeln gesehen, dass da einer im weißen Trikot noch nach vorn lief. Das war Timur! Und dass dessen Flanke dann auch noch von Flocke ins Tor befördert wurde, war unglaublich. Ich fühle jetzt nur pure Erleichterung! Wir haben vier Jahre dafür trainiert. Und vorher haben alle von außen gesagt, Neuseeland ist eine einfache Aufgabe. Wir wussten, dass das nicht so ist, sondern schwer wird!“
Moritz Fürste: „So etwas wie heute habe ich in meiner ganzen Karriere noch nicht erlebt! Und ich glaube, das ist auch in der olympischen Geschichte einmalig, dass ein Team bei vier Minuten auf der Uhr ein 0:2 noch in ein 3:2 dreht! Das Spiel hat physisch schon Kräfte geraubt, aber mental ganz sicher nicht! Wir hatten ein großes Ziel, dieses Spiel zu gewinnen. Und ab jetzt wollen wir auch kein Spiel mehr verlieren!“
Florian Fuchs: „Es ist ganz schwer für mich, in Worte zu fassen, was da passiert ist! Dass diese ganze Mannschaft bis zur letzten Sekunde daran geglaubt hat und das durchgezogen hat, ist unglaublich und macht mich unglaublich stolz auf dieses Team! Jetzt setzen wir alles auf das Halbfinale! Das ist noch nicht das Ende der Reise!“
Timur Oruz: „Es lief nicht so ganz für uns, trotzdem haben die meisten von uns bis zum Ende dran geglaubt und die anderen mitgezogen. Dass wir dann am Ende wieder einen Buzzer-Beater machen, hätte keiner gedacht! Der Wille war einfach so groß! Der Beweis, dass wenn man etwas unbedingt will, fast alles möglich ist!“
Moritz Trompertz: „Es war ein atemberaubendes Spiel, einfach unbeschreiblich! Wir waren eigentlich das gesamte Spiel über sehr dominant, mit hohem Ballbesitz, kamen aber nicht so zum Abschluss. Neuseeland hat seine Chancen sehr gut genutzt. Dass wir in den letzten fünf Minuten vor Schluss diese drei Dinger machen, ist einfach großartig! Jetzt liegt unser Fokus auf dem Halbfinale – da werden wir alles reinlegen!“
Martin Häner: „Es ist nach so einem Spiel schwer, etwas taktish zu analysieren! Neuseeland hat uns auf eine schwere Probe gestellt! Sicher nicht unser bestes Spiel, aber wir haben bis zum Ende daran geglaubt, gefightet. Das Gefühl ist gerade etwas unreal, dass wir das noch gewinnen. Aber den Moment muss man jetzt genießen und dann ab morgen volle Konzentration aufs Halbfinale legen!“
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Die Deutschen begannen im 300. Länderspiel von Doppel-Olympiasieger vorsichtig, hatten nach starkem Schlenzer von Tobi Hauke auf Moritz Fürste eine erste gute Chance, die noch keinen Erfolg zeitigte. Neuseeland durchaus mit dem Bemühen, offensive Akzente zu setzen und zu schauen, ob man das DHB-Team überraschen könnte. Doch die Deutschen hellwach. Ein Ball über rechts wurde von Murray Grime beim Anspiel in die Spitze noch als gefährlich weggepfiffen (4.). Einige weitere Anspiele gingen noch an den Stürmern vorbei, aber das deutsche Team war bemüht und kontrollierte das Match.
Wellen kam in der 9. Minute zu spät, um eine gute Flanke zu verwerten. Trompertz setzte eine Rückhand aus zu spitzem Winkel über das Tor (11.). Die Neuseeländer warteten an der Mittellinie auf Fehler im Aufbau, die aber erstmal komplett ausblieben. Neuseeland am Ende des ersten Viertels mal wieder mit Ballbesitz am deutschen Kreis, aber da war kein Durchkommen. Ein harter Ball kurz vor Viertelpause zischte noch durch den Kreis der Black Sticks. So ging es mit 0:0 ins zweite Viertel. Der Druck des DHB-Teams nahm danach zu.
Als Fürste jedoch am Kreis der Neuseeländer einen Ball verlor – wie er monierte wegen Fuß eines Neuseeländers – war hinten Platz zum Kontern und Hugo Inglis setzte sich allerdings auch ganz stark gegen mehrere Deutsche durch und chipte über Jacobi zum 0:1 (18.) ein. Die TV-Zeitlupe bewies, dass Fürste Recht hatte, aber Grime übersah das Fußspiel und an der Stelle auf dem Platz konnte das DHB-Team den Videobeweis nicht nehmen. Die Neuseeländer nun voll im Kontermodus, standen extrem tief und versuchten, Fehler konsequent zu bestrafen. Doch die Deutschen wahrten die Geduld, ließen sich nicht zu Unvorsichtigkeiten provozieren.
Es war so eng im Kreis der Kiwis, dass kaum Platz zum Ausholen war, als Rühr und Fuchs sich quasi auch noch ins Gehege kamen (25.). Es blieb beim 0:1 zur Pause, auch weil sich die Black Sticks vorn wie hinten in jeden Ball warfen. Der Rückstand sicher nicht verdient, weil die Schiedsrichter-Fehlentscheidung den tödlichen Konter überhaupt erst ermöglichte, aber auf der anderen Seite hatten die Deutschen bei allem Ballbesitz auch noch keine richtig klare Torchance oder Ecke erarbeiten können.
Es blieb ein Geduldsspiel, weil Neuseeland sehr stark und ganz tief stand, kaum mal eine Lücke zugestand. Die Dominanz wurde sogar noch weiter erhöht, aber mehr als lange Ecken kamen dabei erstmal nicht heraus. Die Deutschen arbeiteten hart daran, sich Räume zu schaffen. Herzbruch monierte ein Fußspiel im Kreis, aber Servetto gab die Ecke nicht. Und dann war es Timur Oruz, der mit gutem Solo die erste Ecke zog (38.). Die Variante auf Häner wurde gehalten, und die Nachschüsse von Herzbruch und Häner brachten auch keinen Erfolg. Neuseelands Konter nun seltener, aber immer gefährlich. Und die Kiwis störten damit gut den Rhythmus, der sich zu Beginn des Viertels eingestellt hatte.
Fuchs und Butt schlugen dann nach erneut gutem Einsatz von Oruz in guter Position am Ball vorbei beziehungsweise setzten ihn daneben. Servetto pfiff dann einen Angriff wegen Meckerns raus, nachdem er Hauke zuvor kleinlich einen Selfpass wegen Ausführens am falschen Ort weggepfiffen hatte, und nahm damit den Deutschen die letzte große Chance im dritten Viertel. Trompertz erarbeitete dann gleich die erste gute Chance, als er über links ganz durchging, aber seine Flanke fand keinen Abnehmer. Kurz darauf Grün für Simon Child nach Stockfoul. Die Überzahl wurde aber nicht clever genug zu Ende gespielt.
Und im Konter gab Murray Grime eine Ecke für Neuseeland für ein Schlägerfoul am Angreifer. Deutschland nahm den Videobeweis dagegen. Der Videoschiedsrichter konnte nichts erkennen, so dass die Entscheidung stand. Und dann saß diese umstrittene Ecke auch noch zum 0:2 per starker Stechervariante durch den Ex-UHCer Shea McAleese (49.). Es wurde also noch schwerer, da auch Child zurückkehrte, ohne dass man die Überzahl hätte nutzen können. Neuseeland ließ die Zeit gut verstreichen, wenn sie Ballbesitz hatten.
So nahm Altenburg sechs Minuten vor Ende Jacobi vom Platz, Häner war elfter Feldspieler mit Torwartrechten. Sie hatten auch gleich eine Riesenchance, als Fuchs einen Abpraller aus fünf Metern nicht am Keeper vorbeibrachte. Rühr holte mit tollem Solo dann die zweite Ecke, als er beim Eindringen in den Kreis gefoult wurde (56.). Doch Manchester hielt den Schlenzer von Fürste stark. Deutschland nun mit viel Druck. Wieder gab es Ecke, als Rühr gefoult wurde. Und dieses Mal traf Fürste zum 2:1 (56.). Es waren noch etwas mehr als viereinhalb Minuten auf der Uhr.
Und dann holte Hauke die nächste Ecke (57.). Dieses Mal schoss Tom Grambusch, aber Manchester hielt. Rührs Ball kurz darauf wurde zur Langen Ecke abgelenkt. Wilson sah 120 Sekunden vor Ende Gelb wegen Spielverzögerung. Aber Grambusch konnte einen langen Pass in den Kreis nicht stoppen. Doch tatsächlich holte das DHB-Team 48 Sekunden vor Ende die nächste Strafecke. Und tatsächlich traf Moritz Fürste 40 Sekunden vor Ende zum 2:2 halbhoch rechts.
Alles war nun bereits auf ein Penaltyschießen eingestellt, da eroberte Hauke auf der rechten Abwehrseite 7 Sekunden vor Schluss den Ball und schickte Timur Oruz rechts vorn auf die Reise. Der Kölner sah, dass Fuchs links noch mitgelaufen war und schlug den Ball hart auf den langen Pfosten, wo der UHCer nur Sekundenbruchteile vor dem Schlusspfiff die Kugel im Reinrutschen über die Linie blockte. Alles Weitere ging im unbändigen Jubel der Honamas unter!
Tore:
0:1 Hugo Inglis (18.)
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0:2 Shea McAleese (KE, 49.)
1:2 Moritz Fürste (KE, 56.)
2:2 Moritz Fürste (KE, 60.)
3:2 Florian Fuchs (60.)
Strafecken:
GER 6 (2 Tore) / NZL 1 (1 Tor)
Grüne Karten:
NZL 1
Gelbe Karten:
NZL 1
Schiedsrichter:
Murray Grime (AUS) / Marcello Servetto (ESP)
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