01.09.2013 - Damen-Bundestrainer Jamilon Mülders hat eine Woche nach dem Sieg seiner Damen-Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft in Boom den vorläufigen Kader für die WM 2014 in Den Haag (31. Mai bis 15. Juni) benannt. Dabei setzt der Berliner auf 39 Spielerinnen, die aus seiner Sicht „alle realistische Chancen haben“, in Holland dabei zu sein. Einen Bonus für die erfolgreichen Akteurinnen beim World-League-Turniersieg und EM-Titel gibt es nicht. Im Interview erklärt Mülders, warum das so ist und wie seine Planungen für die Zeit bis zum Turnier-Höhepunkt im kommenden Jahr aussehen.
Herr Mülders, nach gewonnenem World-League-Turnier und EM-Titel könnte man annehmen, dass das Team für die WM 2014 in Den Haag schon so gut wie fest steht. Warum ist das nicht so?
Mülders: „Alle starten wieder bei Null! Keine Frage, die Ergebnisse bei der World League und der Europameisterschaft waren toll! Und wir wollen die Euphorie im Team auch weiter nutzen und hoch halten. Dennoch gilt: Wer mit zur Weltmeisterschaft nach Den Haag will, muss sich diesen Platz verdienen! Und das wissen die Mädels auch.“
Wird der WM 2014 zurzeit alles andere untergeordnet?
Mülders: „Es gibt einen Roten Faden und der führt zur WM. Deshalb sind auch alle Spielerinnen, die wir jetzt nominiert haben, aus ihren Kadern rausgezogen worden und gehören – bis zur Nicht-Nominierung an einer bestimmten Stelle – zum A-Kader. Das ist mit den drei Bundestrainern der U16, U18 und U21, Markku Slawyk, Akim Bouchouchi und Marc Herbert, auch so abgestimmt. Allen muss bewusst sein, dass ihre Chance nur darin besteht, voll mitzuziehen und das volle Pensum zu trainieren!“
39 Spielerinnen im A-Kader? Treibt das die Lehrgangskosten nicht sehr in die Höhe?
Mülders: „Das klingt erstmal viel. Aber unter den 39 Spielerinnen sind zum Beispiel auch fünf Torhüterinnen. Es werden alle von uns getestet, jede hat ihre realistischen Chancen. Aber es geht dabei um zwei Lehrgänge in Deutschland, also ohne Reisekosten ins Ausland. Der erste Lehrgang ist jetzt ab 17. September. Danach kriegen alle ihr Programm mit und müssen an den Stützpunkten richtig arbeiten. Den Kader für die World League nominieren wir aus diesem Kreis. Da sind mit Victoria Wiedermann als Keeperin, Lena Andersch, Tina Bachmann, Janne Müller-Wieland, Julia Müller, Jana Teschke, Franzisca Hauke, Eileen Hoffman und Marie Mävers bislang neun gesetzt – das heißt es gibt noch neun Plätze für das Turnier Anfang Dezember in Argentinien zu vergeben. Wer dann beim zweiten Lehrgang ab 7. Januar überzeugt, wird zum Zentrallehrgang im Februar eingeladen. Da werden wir schon nur noch 28 Spielerinnen dabei haben. Das relativiert die Zahlen schon deutlich.“
Sie selbst sprechen von einem Kader, der einige überraschen wird…
Mülders: „Es gibt sicherlich die ein oder andere Überraschung. Julia Karwatzky, Mia Sehlmann, Celine Wilde oder Greta Gerke sind nicht mehr mit dabei. Dafür haben wir einige jüngere Spielerinnen mit im Kader, die vielleicht beim ein oder anderen noch nicht auf der Rechnung standen – wie Lisa-Marie Schütze, Selin Oruz oder Cecile Pieper. Oder dass Marilena Krauß als beste deutsche Torschützin 2012 nicht auf der Liste steht. Aber das sind alles wohl durchdachte und fundierte Entscheidungen. Alle, die jetzt im erweiterten Kader für die WM sind, haben aus Sicht des Trainerteams eine realistische Chance. Und die anderen aus unterschiedlichen Gründen zurzeit eben leider nicht.“
Sie haben jetzt mit Hannah Gablac und Lea Stöckel zwei junge Talente mit zur EM genommen. Ansonsten ist das Team nicht gerade ‚stark verjüngt’…
Mülders: „Ja, für mich gilt nicht, dass ich mit Präferenz jüngere Spielerinnen einbauen möchte. Die Qualität entscheidet. Mich interessiert nicht: Wer ist jünger und wer älter, sondern wer ist zurzeit besser! Dennoch will ich zum Beispiel in Tucuman ein paar jüngere Talente mal auf höchstem Weltniveau testen. Die Freiheit nehme ich mir. Das wird aber dezidiert passieren. Im Fokus steht, dass das World League Finale das letzte große Turnier vor der WM ist.“
Dennoch bieten Sie Nachwuchstalenten Chancen, beim A-Kader zu schnuppern…
Mülders: „Wir haben in diesem Jahr den Status der Gast-Trainingschaft eingeführt. Wir holen uns zu einzelnen Maßnahmen Spielerinnen aus der U16 und U18 dazu, damit diese die Erfahrung machen, was im A-Kader gefordert ist. Und für uns ist es gut, mal zu schauen, wie gut die sind, ohne dass sie gleich am Nominierungsrennen teilnehmen. Das hat sich bewährt und deshalb machen wir die Tür auch in Zukunft häufiger mal auf für die eine oder andere!“
Bis zur WM stehen noch eine komplette Feld- und eine komplette Hallen-Bundesligasaison an. Viel Zeit für mehr Lehrgänge bleibt Ihnen da nicht, oder?
Mülders: „Das ist richtig, aber für mich kein Problem. Im Gegenteil. Die Bundesliga – und zwar sowohl Feld als auch Halle – wird für mich eine ganz spannende Sichtungsmöglichkeit sein. Es gibt ein klares Anforderungsprofil, das wir festgelegt haben: Es muss in jedem Spiel sichtbar sein, wer auf dem Platz A-Kader spielt. Nationalspielerinnen müssen sich in ihren Leistungen von Bundesligaspielerinnen abheben. Wer das Kriterium nicht erfüllt, hat in der Nationalmannschaft nichts verloren! Es muss sich für einen Bundesligaverein lohnen, eine Nationalspielerin in den eigenen Reihen zu haben!“
Sie hatten acht Monate, seit sie das Team übernommen haben. Sie haben selbst häufiger gesagt, dass Sie die Arbeit Ihres Vorgängers nicht abwerten wollen und Vergleiche ablehnen. Aber was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Veränderungen gewesen, dass sich jetzt solch ein erfreulicher Erfolg eingestellt hat?
Mülders: „Man erkennt, denke ich, dass die Mannschaft ein anderes Auftreten bekommen hat. Die Leistungsbereitschaft ist enorm. Ich denke, es ist uns gelungen, dem Team ein anderes Denken einzuimpfen. Dabei haben uns zum Beispiel die Drei-Tage-Stützpunkte an den Standorten Mannheim, Hannover und Krefeld weiter gebracht. Es geht mir nicht darum, Trainingsumfänge noch weiter zu erhöhen, sondern eher um das Prinzip ‚weniger ist mehr’. Die Spielerinnen sollen gar nicht jede freie Minute auf dem Platz verbringen, sondern die Zeit, die wir gemeinsam haben, in voller Intensität nutzen. Gerade was die Trainingsintensität betrifft, haben wir große Sprünge in den letzten Monaten gemacht.“
Beim Titelgewinn in Boom hat Torhüterin Kim Platten stark im Fokus gestanden. Welche sind Ihre ‚Spielerinnen des Turniers’, die sie herausstreichen würden?
Mülders: „Es haben einige Spielerinnen in Boom überzeugt, und das sind gar nicht mal die, die wegen spektakulärer Aktionen im Blickpunkt stehen. Maike Stöckel etwa, die vor dem Turnier ein Down hatte, hat darauf eine sensationelle Reaktion gezeigt und war, offensiv und defensiv mal zusammengenommen, im Halbfinale und Finale vielleicht sogar die stärkste Mittelfeldspielerin des Turniers. Zudem hat sie bei den Penaltyschießen große Verantwortung übernommen. Lisa Jacobi und Hannah Krüger haben ein tolles Turnier gespielt. Jennifer Plass ist zwar eher unauffällig, aber war für uns in vielen Situationen der ‚Kleber’, der die Mannschaft zusammengehalten hat. Einen riesigen Sprung hat Nina Hasselmann gemacht, die im gesamten Turnier auf Weltklasse-Niveau verteidigt hat.“
Im WM-Kader stehen auch einige Spielerinnen, die zurzeit gar nicht fit sind…
Mülders: „Richtig. Es gibt vier Fragezeichen im Kader. Das sind Spielerinnen, in die ich ganz viel Vertrauen setze und daher die Tür offen lasse, obwohl sie zurzeit noch nicht in der Lage sind, die Kriterien zu erfüllen. Das sind die Rekonvaleszenten Yvonne Frank, Luisa Steindor und Greta Lyer, die alle nach schweren Verletzungen wieder auf dem Weg sind. Und es ist Lisa Altenburg, ehemals Hahn, die nach der Geburt ihres Kindes athletisch und in der Organisation ihrer kleinen Familie einiges leisten müsste, aber wenn sie mit ihrem Talent und Fähigkeiten noch mal wieder A-Kader spielen wollte, würde ich mich freuen.“
Der 39-köpfige vorläufige WM-Kader:
Torhüter:
Barbara Vogel (Berliner HC), Kim Platten (Münchner SC), Victoria Wiedermann (Eintracht Braunschweig), Amelie Klaumünzer (Zehlendorfer Wespen Berlin), Yvonne Frank (UHC Hamburg)
Verteidigung:
Tina Bachmann (Oranje Zwart Eindhoven, NED), Janne Müller Wieland ( UHC Hamburg), Nina Hasselmann (Münchner SC), Lena Jacobi (Berliner HC), Lena Andersch (Berliner HC), Tonja Fabig (TSV Mannheim), Elena Willig (Mannheimer HC), Katharina Otte (Berliner HC), Anissa Korth (Mannheimer HC), Cécile Pieper (Mannheimer HC), Selin Oruz (Club Raffelberg Duisburg), Luisa Steindor (SW Neuss)
Mittelfeld:
Julia Müller (SV Kampong Utrecht, NED), Hannah Krüger (Münchner SC), Maike Stöckel (Stichtsche HC, NED), Jennifer Plass (Junior FC Barcelona, ESP), Jana Teschke (UHC Hamburg), Eva Frank (Rüsselsheimer RK), Lisa-Marie Schütze (Düsseldorfer HC), Jana Gonnermann (Berliner HC), Anne Schröder (Club an der Alster Hamburg)
Sturm:
Eileen Hoffmann (UHC Hamburg), Marie Mävers (UHC Hamburg), Pia Oldhafer (Eintracht Braunschweig), Franzisca Hauke (RW Köln), Lea Stöckel (RW Köln), Lydia Haase (Mannheimer HC), Hannah Gablac (Mannheimer HC), Kristina Hillmann (UHC Hamburg), Lisa Altenburg (UHC Hamburg), Charlotte Stapenhorst (TuS Lichterfelde Berlin), Julia Dudorov (UHC Hamburg), Greta Lyer (Mannheimer HC), Laura Keibel (TSV Mannheim)
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