25.02.2020 - Genau hingeschaut haben die Bundestrainer des weiblichen Nachwuchses als offizielle Spielbeobachter bei den Deutschen Hallenmeisterschaften. Die Erkenntnisse von Akim Bouchouchi zur Weiblichen Jugend A in Dortmund, Sven Lindemann und Nicklas Benecke zur Weiblichen Jugend B in Hanau und Markku Slawyk zu den Mädchen A in Bad Homburg sind in die DM-Nachlese eingeflossen.
Weibliche Jugend A: Jette Fleschütz schießt fünf Tore im Finale
Das hat es in dieser Form wahrscheinlich noch nie gegeben in einem Endspiel um die Deutsche Meisterschaft: Ein 5:0, bei dem eine Spielerin ganz alleine alle Tore für sich verbucht. Jette Fleschütz ist dieses Kunststück im Finale der Weiblichen Jugend A in Dortmund gelungen. Die Nationalspielerin führte ihren Großflottbeker THGC im rein Hamburger Endspiel gegen den UHC zum zweiten blauen Meisterwimpel (nach 2006) in dieser Altersklasse.
„Man kann nur den Hut ziehen vor ihrer Leistung. Mit ihren fünf Toren hat sie im Endspiel natürlich den Unterschied ausgemacht. Ihre Qualitäten im Abschluss sind außergewöhnlich, aber natürlich schon eine ganze Weile bekannt“, lobte Bundestrainer Akim Bouchouchi als offizieller Turnierbeobachter die Flottbeker Torjägerin. Dass Jette Fleschütz die entscheidende Spielerin auf dem Platz war, ist angesichts der reinen Faktenlage unbestritten, doch Bouchouchi hatte noch einen weiteren Faktor erkannt, der Großflottbek zum Titel verhalf: „Der GTHGC hat von allen am zweiten Turniertag die größte Steigerung hinbekommen und sich mit einer sehr guten Leistung im Finale schließlich auch den Titel verdient.“
Ein solcher Ausgang hatte sich am Samstag noch nicht angedeutet. Wie alle DM-Teams, deren Damenmannschaften in der Bundesliga verkehren und mancher U18-Spielerin deshalb eine lange Saison bescherte, hatte auch der spätere Meister Großflottbek seine Anlaufschwierigkeiten. Sein Auftaktspiel hätte der GTHGC gegen DHC Hannover fast verloren. Auch der Düsseldorfer HC mit gleich mehreren frisch gebackenen Europacup-Siegerinnen in den Reihen, kam schwer in Tritt, auch wenn sich die beiden Favoriten in der Gruppe B schließlich gegenüber TSV Mannheim und Hannover für die beiden Halbfinalplätze qualifizierten. Ähnlich erging es Rot-Weiss Köln und UHC Hamburg in der anderen Gruppe. Vor ihren letzten Vorrundenspielen waren beide massiv vom Ausscheiden bedroht. Erst mit einem Kraftakt wurde der Sprung ins Halbfinale gerade noch geschafft.
Das Allstar-Team der Weiblichen Jugend A in Dortmund: Yani Zhong, Fenna Slawyk, Sarah Strauß, Jule Fischer, Jette Fleschütz und Johanna Klemp (von links). Foto: Jan Weckelmann/TSC Eintracht
Leidtragender war in erster Linie der HC Ludwigsburg. Nach zwei Auftaktsiegen standen die Baden-Württembergerinnen schon mit eineinhalb Beinen im Halbfinale, um dann doch noch alles zu verlieren. „Das war wirklich Pech, da wäre mehr drin gewesen“, konnte Akim Bouchouchi mitfühlen, zählte er Ludwigsburg wie auch Hannover am Samstag zu den stabilsten, weil eingespieltesten Teams.
Nach den „relativ zerfahrenen Spielen am Samstag“ (Bouchouchi) zog das Niveau am Sonntag dann an, bei den beiden Hamburger Teams noch ein bisschen mehr als bei der westdeutschen Konkurrenz, die im Halbfinale knapp den Kürzeren zog. Alles endete schließlich in der Fleschütz-Gala im Endspiel. Während der UHC vergeblich anrannte, versenkte die Flottbeker Angreiferin drei Ecken, einen Siebenmeter und einmal nach einem Sololauf.
Natürlich wurde Jette Fleschütz auch ins Allstar-Team gewählt, zu dem auch ihre Teamkameradin Johanna Klemp (Tor) sowie Jule Fischer (HC Ludwigsburg), Fenna Slawyk, Yani Zhong (beide UHC) und Sara Strauß (Düsseldorfer HC) gehörten. Akim Bouchouchi hatte die Besetzung dieser imaginären Auswahl der auffälligsten DM-Spielerinnen den Trainern aller beteiligten Mannschaften überlassen. „Aber die getroffene Auswahl würde ich so unterstützen“, sagte der Bundestrainer.
Die Schiedsrichterleistungen beurteilte Akim Bouchouchi ähnlich wie die Spiele. „Da war manchmal eine etwas unklare Linie festzustellen. Aber insgesamt haben die Schiris ihren Job unaufgeregt und gut erledigt.“ Gastgeber Eintracht Dortmund konnte einmal mehr seine Qualitäten als Ausrichter ausspielen. „Dortmund schafft es immer wieder, zum dort gewohnten Standard noch was Neues draufzusetzen“, sagte Bouchouchi und dachte im speziellen Fall an die fetzige Soundanlage, die die Halle in Stimmung versetzte.
Weibliche Jugend B: Keine einfache Situation
Es war eine alles andere als einfache Situation. Drei Tage vor der Deutschen Hallenmeisterschaft der Weiblichen Jugend B in Hanau hatte ein Attentäter mit der Tötung von elf Menschen die hessische Stadt in einen Schockzustand versetzt. Die Jugendsportveranstaltung abzusagen kam aber weder beim Ausrichter 1. Hanauer THC noch beim Deutschen Hockey-Bund ernsthaft in Frage. „Die normale Tagesordnung wie sonst bei einer DM gab es jedoch auch nicht“, sagte U18-Bundestrainer Sven Lindemann, der zusammen mit Nicklas Benecke als offizieller Spielbeobachter der DM im Einsatz war. Vor Turnierbeginn wurde eine Stellungnahme des DHB in der Hanauer Halle verlesen, am Samstag hielt jedes Team vor seinem ersten Spiel eine Schweigeminute ab, zudem trugen alle Teams und Schiedsrichter einen Trauerflor am Trikot. Und bei der Siegerehrung am Sonntag ergriff spontan die Raffelberger U18-Nationalspielerin Sophia Schwabe das Mikrofon und sprach noch einmal ihr Mitgefühl aus. „Das war sehr eindrucksvoll, wie sie das in ihrem Alter hinbekommen hat“, zog Lindemann den Hut vor dieser Aktion.
Zum Sportlichen: Mit dem Bremer HC hatte am Ende jene Mannschaft den blauen Meisterwimpel in der Hand, die neben einem funktionierenden und taktisch reifen Teamgebilde mit Lena Frerichs jene „absolute Talentspielerin“ (Lindemann) in ihren Reihen hatte, die einfach den Unterschied ausmachte. Frerichs schoss nicht nur die meisten Bremer Tore (allein drei beim 4:2-Endspielsieg über den Berliner HC), sondern leitete als zentrale Mittelspielerin fast jeden Umschaltangriff ein. „Damit hatte auch der Berliner HC, der sehr souverän ins Endspiel eingezogen war, seine Probleme“, so Sven Lindemann.
Großflottbek und Mannheimer HC seien mit ihren starken Kadern zurecht ins Halbfinale eingezogen, hätten dort aber „keine Effizienz erzielt“, wie die Beobachter feststellten. Von den restlichen vier Teams spielte vor allem der Crefelder HTC bis zur letzten Sekunde um die Halbfinalteilnahme mit. „Der CHTC hatte eine sehr starke Defensive, aber offensiv hat es halt noch nicht ganz für die letzten vier gereicht“, so Sven Lindemann über ein Krefelder Torverhältnis von 1:1 nach drei Gruppenspielen. Club Raffelberg habe „keinen guten Samstag erwischt“, spielte Lindemann auf fehlendes Timing in vielen Situationen, „trotz einiger starken Spielerinnen" an. Das Hanauer Heimteam als Siebter habe seine Fähigkeiten „immer mal wieder aufblitzen lassen, aber noch nicht konsequent genug zeigen können“, während der sieglose HC Ludwigsburg „noch ein bisschen unerfahren auf diesem Niveau“ gewesen sei, so die Einschätzung der Beobachter.
Das Allstar-Team der Weiblichen Jugend B in Hanau: Philine Drumm, Linda Bens, Linnea Weidemann, Vivika Dönges, Lena Frerichs und Lia Becker (von links) mit den Spielbeobachtern Nicklas Benecke (links) und Sven Lindemann (rechts). Foto: Sternberger
Das sportliche Gesamtniveau bezeichneten Sven Lindemann und Nicklas Benecke als „gut“, wobei die „bekannten, starken Spielerinnen ihre Leistung abgerufen und ihre Teams vorangebracht haben“, so Lindemann, wobei auch „der jüngere Jahrgang schon beachtliche Wirkung zeigte“. Ins Allstar-Team wählten die beiden Beobachter Torhüterin Vivika Dönges (Crefelder HTC) und die Feldspielerinnen Lena Frerichs (Bremer HC), Linnea Weidemann, Philine Drumm (beide Berliner HC), Linda Bens (Mannheimer HC) und Lia Becker (Großflottbeker THGC). Auffällige Leistungen hätten auch Emma Himmler, Paulina Mayer (beide MHC), Elisa Brauel-Jahnke (GTHGC), Lillith Ell (Berliner HC), Sophie Bos, Laura Plüth und Sophia Schwabe (alle CR) geboten.
Die Schiedsrichter hätten, so Lindemann, „einen guten Job gemacht“. Gleiches konnte der Bundestrainer auch über den „sehr erfahrenen Ausrichter“ 1. Hanauer THC sagen: „Hier hat es keinem an irgendetwas gemangelt.“
Mädchen A: Raffelberg mit den kreativsten Lösungen
Eine insgesamt eher torarme Deutsche Hallenmeisterschaft der Mädchen A erlebte Bad Homburg. So war das 1:0-Endspielergebnis, mit dem sich der Club Raffelberg seinen fünften blauen Siegerwimpel in dieser Altersklasse (nach 2003, 08, 2012 und 14) sicherte, eher Trend als Ausnahme. Allerdings schossen die jungen Duisburgerinnen mit 13 Treffern in fünf Spielen die meisten Tore und waren in den Augen von U16-Bundestrainer Markku Slawyk auch der verdiente Meister: „Offensiv hat Raffelberg als spielstärkste Mannschaft die kreativsten Lösungen gefunden, individuell wie auch als Kleingruppe.“
Seine einzige Niederlage kassierte Raffelberg im letzten Vorrundenspiel, als Platz eins in Gruppe B bereits sicher war, mit dem entsprechend folgenlosen 3:5 gegen Zehlendorf. Die Wespen freilich brachte dieser Sieg noch am Bremer HC vorbei und ins Halbfinale. Dort scheiterten die Berlinerinnen aber am HC Ludwigsburg, der in der anderen Gruppe als einzig unbesiegte Mannschaft Erster geworden war. Als Zweiter hatte der Düsseldorfer HC den Sprung ins Halbfinale geschafft, dort war allerdings Endstation nach der 3:4-Niederlage gegen Raffelberg in der Neuauflage des WHV-Regionalligafinales.
Im Endspiel der beiden Gruppensieger Ludwigsburg und Raffelberg entsprang das Tor des Tages einem Sololauf von Dorle von Geffen. Die Duisburger Offensivspielerin bediente dabei von rechts ihre vor dem HCL-Kasten lauernde Teamkameradin Taja Gans, die den Ball nur noch ins leere Tor blocken musste. Der Südmeister Ludwigsburg versuchte in der Folge viel, kam aber nur zu wenigen wirklich zwingenden Abschlüssen, so dass bei einem der Raffelberger Konter eher das zweite Tor in der Luft lag als der HCL-Ausgleich.
Das Allstar-Team der Mädchen A in Bad Homburg: Taja Gans, Friederike Seifert, Friederike Heusgen, Dorle van Geffen, Rebecca Götz und Jessica Schwarz mit Beobachter Markku Slawyk (von links). Foto: Metzner
„Ich fand das Gesamtniveau gut. Beim variablen Umspielen in Eins-gegen-Eins-Situationen ist bei allen Teams noch einiges an Entwicklungspotenzial vorhanden. Die Teams sind in der Breite gut aufgestellt“, sah Markku Slawyk, der sich die Beobachtung mit Benedikt Sturm teilte, zahlreiche Talente aus dem Jahrgang 2005. „Aber auch schon die ein oder andere Spielerin des Jahrgangs 2006 war interessant“, so Slawyk. Eine des jüngeren MA-Jahrgangs nahm der Bundestrainer dann auch in das Allstar-Team: Ludwigsburgs Jessica Schwarz. Daneben wurden Torhüterin Rebecca Götz (HC Ludwigsburg) und die Feldspielerinnen Dorle van Geffen, Taja Gans (beide Club Raffelberg), Friederike Heusgen (Düsseldorfer HC) und Friederike Seifert (Zehlendorfer Wespen) mit Preisen ausgezeichnet.
In die vom Bundestrainer als „Longlist“ bezeichnete Gruppe von ebenfalls auffällig guten DM-Spielerinnen wurden Pia Zensen (Raffelberg), Tia-May Harlos, Kathrin Wondratschek (beide Ludwigsburg), Laetitia Graf (Düsseldorf), Mia Montag, Lena Keller, Ella Fehr (alle Wespen), Lena Bobrink, Helen Katenkamp (beide Bremer HC), Hannah Lämmel (TuS Lichterfelde) und Carolin Seidel (Wiesbadener THC) aufgenommen.
Markku Slawyk lobte abschließend die Schiedsrichterleistungen („unauffällig gut; die noch bessere Vorteilsauslegung kommt mit noch mehr Erfahrung“), die Arbeit der jungen Turnierleitung um Vanessa Tramp und die „sehr konstruktive Zusammenarbeit der Trainer“ mit den Offiziellen. Dem Gastgeber HC Bad Homburg bescheinigte der Beobachter eine „begeisternde, sehr herzliche Ausrichtung in toller Teamleistung“.
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