WHV-Schiedsrichter Nachrichten

 Vorfreude auf die Olympischen Spiele 2024 in Paris

Ein Interview mit Deutschlands Top-Schiedsrichter Ben Göntgen

 

Foto: Susanne Breithaupt

 

Vor knapp einem Monat erreichte Ben Göntgen die frohe Kunde: er wird bei den olympischen Spielen 2024 in Paris an der Pfeife am olympischen Hockeyturnier teilnehmen. Nach seinem Olympia-Debüt 2021 in Tokyo ist es also nun bereits das zweite Mal, dass der gebürtige Mülheimer an dem Sportgroßereignis teilnehmen darf.


Zu diesem Anlass hat der WHV SRA ein Interview mit "seinem" Weltklasse-Schiedsrichter geführt. Was steht in seiner Vorbereitung an? Wie hoch ist das Level der Vorfreude schon? Wie wird man eigentlich Olympiaschiedsrichter?
 

 

WHV-SRA: Ben, herzlichen Glückwunsch zur Nominierung zu den Olympischen Spielen 2024 in Paris! Wie fühlt es sich an, für das größte Sportevent der Welt, in unserem Nachbarland Frankreich, nominiert zu sein?

 

Ben: Herzlichen Dank für die Glückwünsche. Einfach großartig, zum zweiten Mal für Olympia nominiert worden zu sein.
Und mit jedem Tag, der neu anbricht, denkt man daran, es ist wieder ein Schritt näher gekommen. Manche mögen denken "war doch klar", aber so klar ist so eine Nominierung nicht.
Es fahren eben nur 14 Schiedsrichter der Welt dorthin und es gibt keine Regel, die sagt, dass jede teilnehmende Nation einen Schiedsrichter stellen muss oder überhaupt kann. Da gehören viele Faktoren zum Nominierungsprozess dazu. Einige kann man beeinflussen wie Fitness und Gesundheit (wobei die auch nur bedingt), aber andere eben nicht. Man kann zwar eine für sich gute Leistung auf dem Platz erbringen, aber wenn die Leute, die es bewerten, diese eben nicht für ausreichend erachten, dann ist die Nominierung auch schnell weg. Mal von den ganzen anderen sportpolitischen Dingen abgesehen, die die Nominierung beeinflussen können. Umso mehr freue ich mich über die Nominierung und bin mit meinen letzten zwei Schiri-Jahren sehr zufrieden, wenn auch die WM dieses Jahr hätte etwas glücklicher verlaufen können.

 

WHV-SRA: Junge Schiedsrichter*innen haben sicherlich oft auch das Ziel, mal international oder sogar bei Olympia zu pfeifen. Was muss man dafür machen?


Ben: Wenn man wirklich den Anspruch hat, erfolgreich Bundesliga oder gar international zu pfeifen, dann muss man sagen, ist das Pfeifen auch als Leistungssport anzusehen. Da reicht es nicht aus, vielleicht alle zwei Wochen einmal laufen zu gehen und am Wochenende 1-2 Spiele in der Oberliga oder Regionalliga zu pfeifen. Das ist wie bei einem Nationalspieler. Der wird auch nicht nominiert, weil er dienstags und donnerstags von 18-20 Uhr ein wenig Hockeytraining mit 20 Minuten Fußball zum Warmmachen absolviert. Generell bin ich dafür, dass man erst einmal das Pfeifen für sich ausprobiert, bevor man entweder von vornherein sagt "ist nicht meins" oder an Tag 1 schon sagt "ich fahre zu Olympia". Ziele sind sehr gut und förderlich, aber sollten auch nie zu hoch sein. Einen Traum hingegen darf jeder haben - so war es ja auch bei mir. Der Traum von Olympia hat mich ein Leben lang als Schiedsrichter begleitet, aber meine Ziele waren immer als einzelne Treppensprossen gesteckt, um es einmal bildlich zu verdeutlichen. Man braucht auch die kleinen Zwischenerfolge als Motivation. Wenn ich nur Olympia als Ziel gehabt hätte, hätte ich mich nie über meine erste Jugend DM oder mein erstes Bundesligaspiel gefreut. Meine Tipps: Hart an sich arbeiten, von Rückschlägen nicht entmutigen lassen, immer sich treu bleiben, seinen eigenen Weg und Stil suchen, nie jemanden kopieren (man wird nie so gut wie das Original sein), immer 5-10% mehr geben als die anderen. Und zuletzt darf man nicht unterschätzen, dass auch einfach ein wenig Talent dazugehört. Jeder kann Schiedsrichter werden, aber nicht jeder schafft es zu Olympia. Sich selbst unter Druck setzen, bringt einen nie vorwärts und ist eher hinderlich als förderlich. Spaß haben lautet auch noch heute meine Devise (es gibt aber auch Tage, da macht es mehr Spaß als an anderen).

 

WHV-SRA: Es sind jetzt nur noch wenige Monate bis zu den Olympischen Spielen. Wie sieht deine Vorbereitung aus? Wie kann sich ein Schiedsrichter darauf vorbereiten?


Ben: Wie bei jedem anderen auch spielt natürlich Fitness eine große Rolle. Dahingehend wird sich also nicht viel zur "normalen" Saison ändern, als dass eben Laufeinheiten wie aber auch Kraft- und Stabilisationseinheiten zum Trainingsprogramm gehören. Es ist also eine Mischung aus Fitnessstudio und normalen Joggen gehen, Intervallläufen, Sprint-Einheiten oder auch einfach mal abends beim Fernsehgucken eine Runde auf dem Spinning-Rad drehen. Wichtig ist, dass man sich mit Hockey beschäftigt. Das habe ich natürlich am Wochenende auf dem Platz (jetzt geht es zwar in die Halle, aber es bleibt Hockey). Im nächsten Jahr ist dann natürlich die Feldsaison wichtig, dort viele Spiele zu machen um einfach weiterhin Matchpraxis zu haben. Aber auch neben dem Platz beschäftige ich mich mit Hockey. Erst einmal werde ich meine Spiele im Video analysieren, dann aber auch durch das DHB-Patenprogramm, in dem ein junger Nachwuchsschiedsrichter mit einem erfahrenen Paten zusammenarbeitet. an welchem ich teilnehme. Somit habe ich dann, um im Vergleich mit einem Spieler zu bleiben, mein wöchentliches "Training" beim Videostudium und meine Wettkampfphase am Wochenende. Das ist zwar nicht viel anders, als wenn kein Olympia vor der Tür stünde, da ich das immer mache, allerdings erhöhe ich vor Olympia ein wenig die Intensität. Auch werden da schon einmal Spiele der teilnehmenden Nationen angeschaut, um vorab zu wissen, was einen erwartet. Und durch die Olympic Qualifier, die im Januar gespielt werden, ist genügend Material in unserem Spielanalyse-Tool und unserer Videodatenbank. Inwiefern ich dann 2-3 Monate vor Olympia mit dem Fitnesstrainer noch einmal neue Reize oder mit dem Sportpsychologen neue Themenfelder setze bzw. bearbeite, wird sich erst nächstes Jahr zeigen. Wichtig ist es, gut zu dosieren, so dass man sein Leistungshoch dann auch erst im August hat und sich bei Olympia nicht in einer Phase befindet, in der man bereits wieder abbaut oder von Hockey genug hat und hockey-müde ist.

 

WHV-SRA: Du bist seit 24 Jahren Schiedsrichter. Wie bist du damals dazu gekommen? Was hat dich damals motiviert?


Ben: Dazu gekommen bin ich eigentlich durch meine Eltern am Küchentisch. Es war ein Samstagabend und es wurde zusammen mit meinen Schwestern und meinen Eltern zu Abend gegessen. Auf die Frage meiner Mutter "wie war denn das Spiel heute" muss ich wohl unglaublich über die Schiedsrichter geschimpft haben. Ich weiß aber heute nicht mehr, was ich genau gesagt habe, wieso ich es gesagt habe und wer gepfiffen hat. Ich weiß nur noch, dass meine Mutter mit der Faust auf den Tisch haute und meinte "Boa, dann mach es doch besser!". Das hat mich damals so angestachelt aber auch wütend gemacht (weil ich eher Unterstützung hören wollte anstatt Kritik an meiner Darstellung - heute bin ich sehr dankbar, dass meine Mama so reagiert hat), dass ich mich für einen D-Lizenz Lehrgang angemeldet hatte, der im Clubhaus des ETuF Essen unter der Leitung eines damals 23-jährigen Christian Blasch stattfand, der mich wiederum zu einem JA-Lehrgang angemeldet hatte. Ab da nahm das Schicksal seinen Lauf.

 

WHV-SRA: Vielen Dank, Ben, für das schöne und spannende Gespräch! Wir wünschen dir ganz viel Erfolg bei der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 2024 und vor Ort viel Spaß und ein glückliches Händchen bei deinen Spielen. Wir werden dich natürlich weiter begleiten! 

 

Ben Göntgen ist außerdem im Gespräch mit Hendrik Völker und Philipp Hesselmann in Kartenkumpel - Der Podcast zu hören. Auch dort berichtet er regelmäßig über seine Zeit vor den Olympischen Spielen 2024. 

 

Das Interview führte Philipp Hesselmann / WHV-SRA 

 

 
27. Juli 2024
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